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Wie Streaming-Dienste radikal den Markt verändern

Streaming: Musik im Wandel - Steht die Industrie vor dem Kollaps?

(Geschätzte Lesezeit: 3 - 6 Minuten)

Wie Streaming den Markt verzerrtBild: digitalmusicnews.com

„Die Welt ist im Wandel!", so oder so ähnlich hätte es wohl der (leider kürzlich verstorbene, unser zutiefst empfundenes Beileid geht an die Angehörigen) Saruman-Darsteller Christopher Lee formuliert. Dass sie das ist, sollte jedem klar sein, aber da wir uns auf diesem Blog nun einmal auf Musik konzentrieren, geht es hier natürlich auch um selbige. Durch den anhaltenden Preiskampf unter den verschiedenen Musikstreaminganbietern gerät eine ganze Industrie aus den Fugen und könnte in der heutigen Form in wenigen Monaten schon komplett anders aussehen. Ohne Floskeln dreschen zu wollen: Der Mittelstand der Musik produzierenden Zunft geht gerade aufs Neueste den Bach herunter - einen Bach in der Größe des Río de la Plata (der Vergleich passt vielleicht auch hinsichtlich des Verschlammungsgrades).


Von der Schall- zur Festplatte und dann ab in den Äther

Früher war das Musikbusiness ja eigentlich ganz einfach gestrickt. Man hatte große, schwarze, klobige und stauraumraubende Vinyl-Scheiben seiner Lieblingssongs, die mal ins Regal stellte. Durch den Kauf dieser Scheiben unterstützte man seine Lieblingsmusiker zu einem nicht unwesentlichen Teil - wobei die Vermarktung von Vinyl-Scheiben wohl eine Erfindung ist, die wir den Beatles zu verdanken haben. Vor den Beatles dienten die Abspielmedien eigentlich nur zur Promotion der jeweiligen Musiker, die ihre Haupteinnahmen durch Live-Auftritte generierten. Amüsant ist das dann tatsächlich vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklungen, die auf eine diesbezügliche Rückbildung schließen lassen.

Geschichte wiederholt sich offenbar eben doch. Auf Vinyl folgte die CD, die sich beachtlich lange hielt. Mit dem Einzug des Internets gegen Ende des vergangenen Jahrtausends (ja, so lange ist das schon her) kam dann der digitale Download dazu. Der digitale Download schaffte es in wenigen Jahren, die CD weitgehend aus dem Hauptgeschäft zu verdrängen, Vinyl-Scheiben waren ohnehin nur noch etwas für Sammler. Aber da eine Entwicklung eben nicht dann stoppt, wenn sie erfolgreich ist, konnte das natürlich nicht das Ende aller Fahnenstangen sein. Nein, sie mussten ja über das Ziel hinausschießen wie einst Ramos beim Elfmeterschießen.

Getreu dem Motto „Was man nicht hab, das stellt man ins Schaufenster" kamen also einige Start-Up-Unternehmen wie beispielsweise Spotify vor einigen Jahren auf die Idee, die Musik noch leichter zugänglich zu machen. Und wie ging das an? Sie bliesen sie einfach in den digitalen Äther und hofften darauf, dass am anderen Ende der Leitung jemand saß und zuhörte - Streaming war geboren.


Den Geldbeutel freut's

Die Überschrift verrät es bereits, aber trotzdem nochmal für alle zum mitmeißeln: Was ist der große Vorteil am Streaming? Ganz genau, es würde schon fast jeder Beschreibung spotten, es als „spottbillig" zu bezeichnen, dummerweise existiert aber keine weitere Steigerung des Begriffs „billig" (Pep Guardiola würde wohl einen Super-Superlativ bilden). Dienste wie Spotify, Deezer und jetzt auch noch Apple Music bieten hier Musikstreming zu monatlichen Preisen an, die jedem Labelmanager die Schweißperlen ins und dessen Ehefrau bald die echten Perlen aus dem Gesicht treiben dürften.

Apple plant, seinen Dienst für eine Pauschale von 9,99€ an den Start gehen zu lassen und darüber hinaus noch einen Familientarif von 14,99€ für bis zu sechs Personen einzuführen. Bereits dieser Preis ist unglaublich niedrig, wenn man bedenkt, dass man dadurch Zugriff auf den neben Beatport größten Musikkatalog weltweit hat. Spotify hat es da noch cleverer gemacht. Der schwedische Anbieter fährt zweigleisig und lockt seine Kunden mit dem kostenlosen Geschäftsmodell, mit dem man streamenderweise zwar auf den gesamten Katalog (einen ebenfalls sehr beachtlichen) zurückgreifen kann, dafür aber Werbung ertragen muss und die Tracks nicht für Unterwegs zwischenspeichern kann.

Bei den 15 Millionen zahlenden Nutzer (von insgesamt 80 Millionen registrierten Nutzern) hingegen erlaubt sich Spotify ebenso wie Apple Music eine monatliche Abbuchung von 9,99€. Außerhalb jeglicher Konkurrenz ist derzeit wohl Deezer mit einem Preis von 5,99€ monatlich. Den Verbraucher freut das. Aber wie jede Medaille hat auch diese eine zweite Seite.

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Und was kriegen die Künstler?

Wie man das von Medaillen kennt, liegt die Kehrseite nur eine Umdrehung weiter. Je weiter die Stremingdienste den Preis drücken, desto weniger erhalten die Urheber für ihre Werke. Der neulich geleakte Vertrag von Sony Music mit Spotify sieht zwar durchaus einiges an Gegenleistungen vor, aber wenn man sich verdeutlicht, dass das Label pro Streamabruf lediglich einen Achtel-Cent erhält - was der Künstler davon hat, ist nicht abschließend geklärt - dann ist das doch ein bisschen wenig.

Zum Vergleich: Bei Beatport kriegt der Urheber 20% des Kaufpreises für einen Track, also abhängig von der Art der Veröffentlichung zwischen 30 und 50 Cent. Auch nicht gerade viel, aber doch immerhin etwa 1000 Streams wert. Dass das nicht jeder ertragen will, zeigen prominente Beispiele. Taylor Swift oder Herbert Grönemeyer haben bereits ihre gesamte Musikbibliothek von Spotify abgezogen, weil sie nicht damit einverstanden waren. Die Rechtfertigung ihres Schrittes:

„Ich möchte mit meinem Lebenswerk nicht zu einem Experiment beitragen, das nach meinem Gefühl Autoren, Produzenten und Künstler nicht fair entschädigt."


Eigentlich ganz verständlich, oder? Weitere Künstler machten ebenfalls diesen Schritt, andere folgen wohl noch.


Was folgt daraus?

Die Folge ist nur zu logisch. Wer nicht blecht, kriegt nichts.

Möglichkeit 1: Die Musikindustrie wird innerhalb der kommenden Monate radikale Veränderungen durchmachen und dann sicher nicht mehr die Alte sein. Bislang war es bereits mehr als schwer, sich mit der reinen Produktion von Musik über Wasser zu halten, jetzt wird es für alle außer den ganz Großen unmöglich. Man kann als hart arbeitender Musiker auch einfach gleich einpacken und sich einen geregelten Arbeitsplatz suchen. Wer sich nicht durch Bookings refinanzieren kann, und das können beileibe nicht alle, ist wie der legendäre Spanner  ==> Der musikalische Mittelstand stirbt weg, die Großen könnten es aber auch schwer haben. Das ist der oben angesprochene Entwicklungsrückschritt: Vom Plattenverkauf zurück zur Live-Show als Haupteinnahmequelle. Eigenlich schade.

Möglichkeit 2: Die Musikwelt wehrt sich ebenso erfolgreich wie Taylor Swift und Gröle... Verzeihung, Grönemeyer und gebietet den Streamern Einhalt. Fraglich, ob das so kommen wird, denn solche Schritte können mit der richtigen Überschrift auch sehr viel negative Publicity erzeugen. Ebenso fraglich ist, ob die großen Labels bei solchen Schritten mitziehen würden. Und dann ist es auch noch ziemlich unwahrscheinlich, dass die Streamingdienste es überhaupt registrieren.

Möglichkeit 3: Der Verbraucher schreitet ein und kauft nur noch CDs, digitale Downloads etc. Die unwahrscheinlichste Konstellation, denn wer lässt sich schon freiwillig ein Angebot wie das von Deezer entgehen.

Was denkt ihr? Wird die Musikindustrie in ihrer aktuellen Form überdauern, sind radikale Umbrüche notwendig oder steht der musikalische Mittelstand gerade vor dem Abgrund? Schreibt es uns in die Kommentare!

 

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Über den Autor
Maximilian Wild

Ich bin Jurastudent und bereite mich derzeit auf mein Staatsexamen vor. Meine Interessenschwerpunkte liegen im Bereich des geistigen Eigentums, das sich mit meinem ausgeprägten Interesse für Musik trifft. Für Dance-Charts.de verfasse ich hauptsächlich Nachrichten, Kommentare und Kolumnen, die sich mit aktuellen Entwicklungen der Szene befassen. Ich favorisiere kein Genre besonders, sodass sich in meinen Playlisten bunte Mischungen aus Tech House, Hardstyle und EDM finden. Mein absoluter Lieblingsact ist allerdings das deutsche House-Duo Claptone.

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