"Tainted Love" von Soft Cell.
Manchmal braucht ein Song keine neue Melodie, sondern einfach nur eine ordentliche Portion Synthesizer, ein langsameres Tempo und den Mut zum Drama. Die Geschichte von „Tainted Love“ ist eine der faszinierendsten Cover-Storys der Popmusik.
Es gibt diese Intro-Geräusche, die man sofort erkennt. Noch bevor der Gesang einsetzt, weiß jeder auf der Tanzfläche, was passiert. Bei „Tainted Love“ ist es dieses metallische, doppelte „Bing-Bing“, gefolgt von einem stoischen Synthie-Bass. Es ist der Sound von 1981. Es ist der Sound von Neonlicht, Lederjacken und verrauchtem Nachtleben. Aber was viele nicht wissen: Als Soft Cell diesen Song zum Welthit machten, war das Lied eigentlich schon fast 20 Jahre alt - und ein ziemlicher Ladenhüter.
Wir spulen zurück ins Jahr 1964. Die Soul-Sängerin Gloria Jones nimmt einen Song namens „Tainted Love“ auf, geschrieben von Ed Cobb. Die Nummer ist schnell, treibend, vollgepackt mit Bläsern und typischem Motown-Vibe. Doch das Schicksal ist grausam: Der Song landet lediglich auf der B-Seite ihrer Single „My Bad Boy’s Comin’ Home“. Das Ergebnis? Ein kommerzieller Flop. Niemand interessiert sich dafür.
Die Platte verstaubte in den Regalen, bis sie Jahre später ein unwahrscheinliches zweites Leben fand. In den 1970ern entwickelte sich im Norden Englands die „Northern Soul“-Szene. DJs gruben in Kisten nach obskuren, tanzbaren US-Soul-Platten, die niemand kannte. Und genau dort, in den verschwitzten Clubs wie dem legendären Wigan Casino, wurde Gloria Jones’ Version plötzlich zum Kult-Hit für die Tänzer.
Hier kommen Marc Almond und Dave Ball ins Spiel, zwei Kunststudenten aus Leeds, die sich Soft Cell nannten. Dave Ball kannte den Song aus der Northern-Soul-Szene, aber die beiden hatten keine Lust, ihn einfach nachzuspielen. Sie wollten etwas Neues. Etwas, das nach der Zukunft klang.
Die Legende besagt, dass Drogen im Spiel waren - was im Musikbusiness der 80er kaum überrascht -, aber die musikalische Entscheidung war genial: Sie drosselten das Tempo massiv. Aus der hektischen Soul-Nummer wurde ein schleppender, fast bedrohlicher elektronischer Marsch.
Marc Almond erinnerte sich später, dass sie den Song am ersten Tag im Studio aufnahmen. Er sang ihn in einem Take ein. Seine Stimme war nicht die eines klassischen Soul-Sängers. Sie war theatralisch, nörgelnd, fast ein bisschen verzweifelt und wunderbar „sleazy“. Er klang nicht wie jemand, der tanzt, sondern wie jemand, der morgens um vier Uhr mit verschmiertem Make-up in einer dunklen Ecke sitzt. Genau das machte den Charme aus.
Das Equipment war billig, die Technik rudimentär. Das ikonische „Bing-Bing“? Ein reines Zufallsprodukt technischer Limitierungen, das aber so gut passte, dass es blieb. Als die Plattenfirma den Song hörte, wussten sie sofort: Das ist es.
„Tainted Love“ schoss in 17 Ländern auf Platz 1. Es wurde zur meistverkauften Single des Jahres 1981 in Großbritannien und verbrachte in den USA unfassbare 43 Wochen in den Charts.
Was bleibt, ist die Ironie der Geschichte: Gloria Jones, die Originalsängerin, nahm ihren eigenen Song später noch einmal in einer disco-artigen Version auf, um am Erfolg teilzuhaben, kam aber nie gegen die Übermacht der Synthie-Pop-Version an.
Soft Cell bewiesen mit „Tainted Love“, dass ein guter Song genreübergreifend funktioniert. Sie nahmen den Schmerz und die Seele des Originals, zogen ihm ein kühles, elektronisches Gewand an und schufen damit einen Track, der auch heute, über 40 Jahre später, auf keiner 80er-Party fehlen darf. Wenn das „Bing-Bing“ ertönt, rennen wir immer noch auf die Tanzfläche - um vor einer verdorbenen Liebe wegzulaufen, zu der wir doch immer wieder zurückkehren.
Hier hast du die Möglichkeit den Song zu bewerten. Einfach die gelben Sterne auf der rechten Seite anklicken. Die Gesamtwertung ist ein Mittelwert aller abgegebenen Stimmen.
Sei der Erste, der hier einen Kommentar schreibt.