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Taron Egerton - Vom Kingsman zum Oscar-Anwärter?

Film-Rezension: So gut ist Rocketman

(Geschätzte Lesezeit: 4 - 7 Minuten)

RocketmanRocketman - Filmbiografie über Elton John.

Am 30. Mai erscheint Rocketman in den deutschen Kinos. Wir hatten bereits vorab die Gelegenheit, uns den Film anzusehen und uns einen ersten Eindruck von dem Elton-John-Biopic zu machen. Künstlerbiografien prägender Musiker des 20. Jahrhunderts sind derzeit im Trend, das zeigt nicht nur der überwältigende Erfolg von Bohemian Rhapsody, der vierfach mit einem Oscar ausgezeichneten Biografie des Queen-Forntsängers Freddy Mercury. Interessanterweise teilen sich beide Filme - Bohemian Rhapsody und Rocketman - sogar den Regisseur: Dexter Fletcher, der für 20th Century Fox bei ersterem Film die Co-Regie führte, durfte auch für Rocketman wieder auf dem Regiestuhl Platz nehmen, wenn auch dieses mal im Auftrag der Paramount Studios.


Billiger Abklatsch oder Meisterwerk?

Die Biografie eines großen Musikers, der Name eines großen Hits als Titel, derselbe Regisseur, dieselbe Ära - will Dexter Fletcher hier etwa mit einem billigen Abklatsch auf der Welle des Erfolges von Bohemian Rhapsody reiten? Mitnichten! Sowohl die überschwänglichen Reaktionen auf den Film im Rahmen seiner Weltpremiere bei den Filmfestspielen von Cannes wie auch die ersten Kritikerstimmen strafen jeden Unkenruf in dieser Richtung Lügen.

Tatsächlich bleiben die genannten Überschneidungen wohl die einzigen Parallelen zwischen beiden Filmen, denn bereits rein strukturell und visuell ist Rocketman ein ganz anderes Kaliber als Bohemian Rhapsody. Während Bohemian Rhapsody in Episoden gebündelt die Geschichte von Queen abbildet, ohne zu persönlich zu werden, wagt Rocketman genau diesen Schritt und zeichnet ein detailliertes Charakterportrait des frühen Elton John im Zeitraffer. Der Film bildet Elton Johns Karriere von seinem Jugendalter bis hin zu seinem Drogenentzug Ende der 80er-Jahre in einem kohärenten Erzählstrang ab.

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Ein Film wie eine Rauschgiftfantasie?

Elton John verbrachte fast die gesamten 80er-Jahre in einem einzigen Drogenrausch - sei es Alkohol, Kokain in Unmengen, Betäubungsmittel. Eine seltsame Art, eine Filmbesprechung zu beginnen? Mitnichten, denn genau darum geht es in diesem Film: Rocketman beginnt in einer Selbsthilfegruppe, in der Elton John seine diversen Laster gesteht - Rauschmittelabhängigkeit, Sexsucht, Shoppingsucht (ja, im Ernst), Bulimie. Eingebettet in diesen Rahmen lässt er sein bisheriges Leben Revue passieren. Wir steigen ein in seiner Jugend, als der junge Reginald Dwight - denn das ist sein Geburtsname - seine musikalische Begabung entdeckt und mit dem Klavierspiel beginnt. Aufgewachsen in zerrütteten familiären Verhältnissen, verstoßen von seinem völlig desinteressierten Vater betroffen von der frühen Scheidung seiner Eltern hat er es von Anfang an nicht leicht, schafft es aber, an der Royal Academy of Music aufgenommen zu werden. Das gewählte Erzählformat im Rahmen eines Selbsthilfegruppentreffens erweist sich insbesondere hinsichtliche der diversen Zeitsprünge als äußerst intelligent. Schließlich soll ja auch die Musik nicht zu kurz kommen, und so bilden verschiedene als Musikvideos inszenierte Songs aus Elton Johns Laufbahn die eleganten Übergänge seiner Karrierestationen.

Nach Einblicken in seine schwierige Kindheit, seine musikalische Ausbildung und prägende Erlebnisse in seiner Zeit als Soulmusiker steigt Rocketman im Eiltempo in Johns Karriereanfänge - seine Namensänderung, sein Zusammentreffen mit seinem Songwriter Bernie Taupin, seine ersten Songs unter Liberty Records. Obwohl sich hier ein bedeutender Moment an den nächsten Reiht, hetzt der Film den Zuschauer nicht durch die Materie, sondern nimmt sich die gebotene Zeit, um die Anekdoten nach und nach aufzuarbeiten.

Rocketman zeichnet hier das Bild eines schüchternen, ungeliebten jungen Mannes, der zunächst ein Anderer werden muss, um Erfolg zu haben - und, wie wir später sehen werden - daran beinahe zerbricht. Zugleich entdeckt er seine Homosexualität, was die Dinge insgesamt nochmals verkompliziert. Bereits zu Beginn wird klar, was später besonders anhand von Elton Johns aufwändigen Bühnenkostümen deutlich wird: Um aus sich herausgehen zu können, versteckt Elton John sein verletzliches Ich hinter der glamourösen, exzentrischen Fassade eines Paradiesvogels. Das wird ganz besonders im Rahmen von Elton Johns erstem Auftritt im berühmten Troubadour-Club deutlich, der gleichzeitig den ersten großen Wendepunkt des Films markiert. Von jetzt an geht es mit Elton Johns Karriere steil bergauf, während sein Lifestyle immer extravagantere Formen annimmt.

RocketmanTaron Egerton spielt Elton John

Eingekeilt zwischen falschen Freunden, einem gefühllosen Manager und Ex-Freund, dem immer größer werdenden Druck als weltweit erfolgreicher Musiker, der Aussage seiner eigenen Mutter, er werde niemals echte Liebe erfahren und seinem vergeblichen Streben nach Anerkennung von seinem ewig desinteressierten Vater kulminieren seine Exzesse schließlich äußerst drastisch. Ohnedies hebt genau diese Drastik Rocketman aus dem bislang ewig gleichen Morast des Filmjahres 2019. Der Film schafft es durch gnadenlos ehrliche und teils verstörende Einblicke in Elton Johns Leben ein äußerst tiefes, ehrliches und ungeschminktes Bild dieses besonderen Künstlers zu zeichnen und ist sich dabei nicht zu schade, äußerst explizit inszenierte Drogenexzesse oder Sex-Orgien zu zeigen. Gleichzeitig ist Rocketman mit seinen diversen durchchoreografierten Sing- und Tanzeinlagen visuell fast schon ein Musicalfilm - ein harter Kontrast zu dem drastischen Charakterportrait und fast schon die perfekte Synthese von Form und Inhalt, wenn man so will - zutiefst bedrückende Inhalte im exzentrischen Gewand, klingelt da etwas?

Dort, wo Bohemian Rhapsody fast schon zum Best-of-Medley der größten Queen-Hits verkommt, bindet Rocketman die musikalischen Einlagen tatsächlich in die Handlung ein und verknüpft sie stets mit Elton Johns jeweiligem Gemütszustand. Durchbrochen wird die Handlung gelegentlich durch Szenen in der Selbsthilfegruppe, im Zuge derer Elton John mehr und mehr Bestandteile seines grotesken, fast schon lächerlichen Teufelskostüms (seines nicht nur metaphorisch nach außen getragenen inneren Dämons?) ablegt, während er sich seine Probleme von der Seele redet, bis schließlich nur noch der unkostümierte Mensch zurückbleibt, bereit, mit sich selbst ins Reine zu kommen. Und so kann Taron Egerton tatsächlich am Ende stolz singen "I'm still standing!".

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Vor allem ist Rocketman ein Film über - inzwischen wissen wir es ja - Elton John, und so ist seine Besetzung geradezu entscheidend. Und wir können mit Überzeugung sagen, dass Taron Egerton die absolut perfekte Besetzung für diese Rolle ist. Lediglich in einigen wenigen Szenen fällt er mit seinem verschmitzten Kingsmen-Gewinnerlächeln mimisch etwas aus der Rolle, ansonsten trifft er seine Rolle über die volle Spielzeit in allen Nuancen absolut ideal - in den klamaukigen wie auch den tragischen Szenen. Hinzu kommt, dass sämtliche Elton-John-Songs für den Film vom Hauptdarsteller selbst eingesungen und nicht vor Playback performt wurden. An Taron Egerton dürfte bei der kommenden Oscarverleihung daher eigentlich kaum ein Weg vorbeiführen.

Leider wirken die Nebencharaktere teilweise stark überzeichnet - sei es der grausame, desinteressierte Vater oder der skrupellose Manager, sie alle sind leider etwas sehr auf ihre Rollenklischees beschränkt, wohl auch, da Elton John selbst als ausführender Produzent ein gewichtiges Wörtchen mitzureden hatte und diese beiden Persönlichkeiten als absolute Antipole seiner Biografie ansah.

Auch leidet Rocketman insbesondere zu Beginn an seinen teils lieblosen, zumindest aber äußerst flachen Dialogen, auch wenn sich gottseidank während der vollen 120 Minuten niemand über die Konsistenz von Sand echauffiert. Die Dialogregie bessert sich allerdings in der zweiten Filmhälfte stark, vielleicht auch, weil dort über gewichtigere Inhalte gesprochen und geschwiegen wird. Technisch weiß der Film auf ganzer Linie zu überzeugen, besonders die äußerst plastische Kameraarbeit gefällt äußerst gut. In all seiner Bildgewalt ist es dem Film doch gelungen, seine visuellen Reize pointiert und effizient einzusetzen.

Fazit: Der langen Rede kurzer Sinn: Rocketman zeichnet ein knallhart ehrliches und in dieser Drastik so nicht zu erwartendes Bild eines der größten Musiker des 20. Jahrhunderts. Selbst für ein Charakterportrait dringt der Film in vorher nicht zu erwartende Tiefen ein. Charmant inszeniert und mit einem äußerst charismatischen Hauptdarsteller gesegnet vermag Rocketman trotz kleinerer Schwächen auf ganzer Linie zu überzeugen. Hier seht ihr die ungeschminkte und ungeschönte Wahrheit. Schaut euch den Film an, es lohnt sich!

 

 

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Über den Autor
Maximilian Wild

Ich bin Jurastudent und bereite mich derzeit auf mein Staatsexamen vor. Meine Interessenschwerpunkte liegen im Bereich des geistigen Eigentums, das sich mit meinem ausgeprägten Interesse für Musik trifft. Für Dance-Charts.de verfasse ich hauptsächlich Nachrichten, Kommentare und Kolumnen, die sich mit aktuellen Entwicklungen der Szene befassen. Ich favorisiere kein Genre besonders, sodass sich in meinen Playlisten bunte Mischungen aus Tech House, Hardstyle und EDM finden. Mein absoluter Lieblingsact ist allerdings das deutsche House-Duo Claptone.

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