Party trotz Corona - ohne Schutz
Die Verantwortungslosigkeit der „Zrce Beach Clubs“
-
Geschrieben von: Jonas Vieten, am 20. Juli 2020
(Geschätzte Lesezeit: 4 - 8 Minuten)
Papaya club @ Zrche beach | Bild: Metaxa754 aus 2011.
Während die Welt seit Monaten den Atem wegen des noch immer kursierenden Corona-Virus anhält, feiern einige in Kroatien bereits, als wäre es ein ganz normaler Sommer. Dass CoViD-19 keine „normale Grippe“ ist, sollte jedem, der über das Gewisse Maß Intellekt verfügt, klar sein. Wem es daran mangelt, der sollte diesen Artikel lieber nicht weiterlesen. Eine Kolumne über Gier, Geld und das Spiel mit der Gesundheit.
Zrce Beach Clubs
Für diejenigen, die den Namen zum ersten Mal hören, hier eine kleine Erläuterung. Auch wenn häufig vom „Zrce“ die Rede ist, sind damit eigentlich mehrere Clubs gemeint. Am bekanntesten sind das „Kalypso“ (Platz 56 des DJ-Mag-Club-Rankings), der „Noa Beach Club“ (Platz 22), das „Aquarius“ (Platz 19) und das „Papaya“ (Platz 6). Sie alle schlängeln sich dem Zrce Beach in Kroatien entlang. Damit herrscht die weltweit wohl höchste Dichte an ausgezeichneten Top-Clubs.
Deutschland vs. Kroatien
Kroatien handhabt Corona deutlich lockerer als Deutschland. Die Fallzahlen sind derzeit noch niedrig, obwohl sie nach Angeben des Auswärtigen Amtes steigen. Der Grund: Kroatien testet verhältnismäßig wenig. Wer nur (fiktive Zahl) 100 Personen testet, der kann im Worst-Case auch nur 100 Infizierte feststellen. Die Einreise-Bedingungen sind für EU-Bürger völlig unproblematisch. Das Auswärtige Amt weist außerdem darauf hin, dass Corona-Negativbeweise (Ärztlicher Beleg, dass man nicht infiziert ist) bei der Einreise nicht mehr erforderlich seien.
Fallzahlen Corona Kroatien. Stand: 20.07.2020. Quelle: worldometers.info/coronavirus
Diese Umstände verdeutlichen bereits, dass die Gefahr unentdeckter Infizierter unglaublich hoch ist und damit auch die Wahrscheinlichkeit, dass der Party-Gast neben mir unzählige Leute ansteckt, ohne es selbst zu bemerken.
Zrce: Geld > Gesundheit
Die Zrce Beach Clubs (im Folgenden: Zrce) öffneten daraufhin munter weiterhin die Tore. Dass die Veranstaltungsbranche somit am stärksten unter den Restriktionen leidet, ist bekannt, liegt aber auch in der Natur der Sache. Via Instagram versuchen die Betreiber seit Wochen zwanghaft den Anschein zu erwecken, es sei sicher und die Tatsache, dass die Clubs für Besucher geöffnet sind, sei eine - Zitat: „Erleichterung“. Mit scheinbar ernster Miene verkündete man außerdem, dass die Clubs aktuell „nur“ für 1.000 Besucher (!) geöffnet seien - und zwar ohne weitere Einschränkungen. Ihr könnt normal feiern, trinken und in der Masse tanzen, als wäre nichts gewesen. Dass ein solches Szenario momentan der Traum eines jeden ist, steht außer Frage. Allerdings mangelt es den Betreibern wohl am nötigen Verständnis für den Ernst der Lage. Die Social-Media-Kanäle propagieren weiterhin, alles sei in bester Ordnung. So ließ man am 16. Juni verlauten:
The season of 2020 has been by far the most unpredictable in our club history. Despite the changeable conditions, our final decision is to open up the club from July 1st until August 25th 2020 to party through the hard times together!
Das Zrce hat auf der einen Seite natürlich den Spielraum, den Kroatiens Regierung zur Verfügung stellt. Auf einem anderen Blatt steht jedoch, ob es auch das Richtige ist. Die Clubs haben ihre Entscheidung getroffen: Sie riskieren im waghalsigen Hauruck-Verfahren die Gesundheit der Besucher, um ein paar Euro zu verdienen.
Eigenverantwortlichkeit der Besucher? Nein.
Natürlich mag man dem zurecht entgegenhalten, es sei schließlich die freie Entscheidung der Besucher, dort Urlaub zu machen und feiern zu gehen. Dieses Denken ist aber sehr kurzsichtig. Bei Corona handelt es sich um eine Pandemie (= weltweit), die an vielen Orten der Erde Epidemien (lokale Hotspots) hervorruft. In Kroatien spielt man mit dem Feuer. Dass sich das Gesundheitssystem fernab der deutschen Standards befindet, ist nicht der Rede wert. Es reicht ein Besucher, der unbewusst infiziert ist und kräftig in mehreren Clubs mitfeiert. Die Ausbreitung wäre dann nicht mehr zu stoppen. Die Folge könnte die Überlastung der lokalen Krankenhäuser und der Kollaps des Gesundheitssystems sein.
Als Beispiel kann man Südkorea heranziehen. Durch diszipliniertes Verhalten der Bürger konnte das Virus fast vollständig vertrieben werden. Doch dann verbrachte ein Mann seine Nacht auf der Partymeile. Das Ergebnis: Mehr als eintausend Infizierte. Alle Vergnügungsstätten mussten daraufhin wieder schließen.
Das Zrce lockt die Gäste förmlich in ein Lebkuchenhaus, wobei noch unklar ist, ob und wann die Hexe nach Hause kommt.
Datenerfassung schützt nicht vor Infektion
In der „House Fans“-Gruppe auf Facebook, Deutschlands größter EDM-Community, treten jetzt einige - wenn auch zum Glück in der Minderheit - auf den Plan und versuchen die Machenschaften mit „ausgeklügelten Konzepten“ zu rechtfertigen. Die Mehrheit der User stellt sich dem entgegen und entkräftet die Anmerkungen jedoch erfolgreich. Aufhänger der Beiträge ist häufig, die „Idee Corona auszurotten, [sei] gescheitert“. Die Lösung sei das sogenannte „Contract Tracing System“. Dabei meldet man sich online im Vorhinein auf einer Website an und erhält einen individuellen QR-Code. Am Club-Eingang wird dieser dann gescannt, sodass die Gefahr nicht oder falsch ausgefüllter Kontaktdaten-Zettel reduziert werden soll.
Dabei wird jedoch völlig außer Acht gelassen, dass es sich dabei nur um ein System zur Rückverfolgung handelt. In keinster Weise verringert es das Risiko, sich mit Corona auf solchen Partys zu infizieren. Selbstverständlich sind derartige Maßnahmen begrüßenswert. Es darf allerdings nicht der Anschein erweckt werden, man trage einen Anteil zur generellen Sicherheit der Besucher bei, denn das ist schlicht falsch. Diese Ansicht stellt auch den Konsens in der „House Fans“-Gruppe dar. Einen faden Beigeschmack hat dabei die Tatsache, dass viele der Verteidiger des Zrce-Konzepts auf Facebook angeben, als Mitarbeiter bei eben diesem angestellt zu sein.
Die Verantwortung deutscher DJs
Natürlich kann keine Party ohne einen DJ stattfinden. In den letzten Jahren hat sich zwischen dem Zrce und der deutschen DJ-Szene eine starke Verbindung entwickelt. Trotz teils dubioser Vertragsbedingungen, um einen Playtime-Slot zu erhalten, wurde das Programm in der Vergangenheit häufig durch deutsche Regional-DJs abgerundet. Einige treten jetzt wieder dort auf. In den Instagram-Storys wird absichtlich nicht die Crowd gefilmt, sondern nur der DJ - man will sich ja nicht die Hände schmutzig machen. Jeder DJ wäre aktuell über einen bezahlten Gig froh. Die finanzielle Lage ist für viele prekär.
Nichtsdestoweniger ist die gesundheitliche Lage umso prekärer. Wer das riskante Konzept des Zrces unterstützt, ist im Falle einer Masseninfektion zwar nicht für die Folgen verantwortlich. Er hat jedoch an der Ursache mitgewirkt. Wer das mit sich vereinbaren kann, der möge seine Reise nach Kroatien antreten.
Fazit
Das Zrce schöpft seine Möglichkeiten im laschen Netz kroatischer Restriktionen (un)geschickt aus. Dabei wird die Gesundheit unzähliger Menschen aus wirtschaftlichen Interessen aufs Spiel gesetzt. Während weltweit alle Clubs und Festivals unter den Auswirkungen der Corona-Krise leiden, hat sich das Zrce dazu entschlossen, seine „günstige“ geographische Lage zu kapitalisieren. Wir raten jedem, egal ob Gast oder DJ, von der Reise zu und Partizipation an diesen Events ab. Dass die Betreiber vielleicht doch nicht ganz so überzeugt von ihrer eigenen Entscheidung sind, zeigt die Tatsache, dass seit Wiedereröffnung bewusst keine Party-Fotos im klassischen Sinne mit mehreren Menschen veröffentlicht werden. Es sind stets Gruppen von drei bis vier Personen zu sehen - genau wie in den Instagram-Storys der DJs. Das ist ja ein Zufall!
Wir freuen uns, diesen Artikel eventuell schon bald auf dem Social-Media-Feed des Zrces mit der Headline „Fake News“ bestaunen zu können, wie es in der Vergangenheit anderen EDM-Blogs ergangen ist.