Alle vier Jahre findet Fussball-Europameisterschaft statt. Wegen der Verbreitung des Corona-Virus musste die Europameisterschaft 2020 verschoben werden. Nun beginnt das europäische Fußballturnier im Juni 2021. Zu jedem Fußball-Event gehört auch eine angemessene musikalische Untermalung. Neben den zahlreichen Songs, die sich während einer Europameisterschaft zufällig zu Hits entwickeln, gibt es seit dem Jahr 1992 offizielle Hymnen. Dem Start der EURO 2020 zum Anlass nehmend wollen wir auf sämtliche EM-Hymnen der Geschichte zurückblicken.
Die erste Europameisterschaft mit offizieller Hymne fand 1992 in Schweden statt. Die Veranstalter wählten die beiden schwedischen Musiker Towe Jaarnek und Peter Jöback für die Aufgabe aus. Das Duett der beiden national bekannten Sänger setzte auf fröhlichen Europop, der in Teilen an ältere Songs von ABBA erinnerte. In “More Than A Game“ singen die Schweden über die Bedeutung des Fußballs. Es sei mehr als nur Sport, sondern würde allgemein Freude in den Alltag der Menschen bringen. Beim Turniersieg von Dänemark spielte der Song jedoch kaum eine Rolle. Obwohl der Song als erste offizielle Hymne einer EM promotet wurde, erhielt er keine große Aufmerksamkeit und ist heute nur noch den wenigsten Fans in Erinnerung. Nur in ihrer Heimat gelangen Towe Jaarnek und Peter Jöback in die Single-Charts. Mehr als Platz 30 in Schweden war für die EM-Hymne des Jahres 1992 nicht drin.
Wer die Europameisterschaft 1996 erlebt hat, wird damit auf Anhieb einen Song in Verbindung bringen. Doch der kultige Fußballklassiker “Three Lions“ mit dem legendären „It’s Coming Home“-Refrain war tatsächlich nicht die Hymne der EM. Offiziell hieß der Song des Turniers “We’re In This Together“ von der britischen Soul- und Pop-Band Simply Red. Beim Sieg der deutschen Nationalmannschaft ging der langsame, gefühlvolle Pop-Song weitestgehend unter. In Großbritannien, dem Austragungsort der EM 1996, schaffte es Simply Red mit der Nummer immerhin auf Platz 11 der Charts. In anderen europäischen Ländern wie auch Deutschland verpasste der Song hingegen die Top 20. Die Botschaft “We’re In This Together“ war für ein Fußballturnier durchaus angemessen, doch es mangelte dem Lied an Fröhlichkeit und Eingängigkeit. “Three Lions“ lief der Hymne den Rang ab und entwickelte sich zum Lieblingssong eines jeden Deutschen.
Als im Jahr 2000 bekannt wurde, dass Belgien und die Niederlande die Austragungsorte der Europameisterschaft sein würden, war interessierten Musikfans schnell klar, dass sie ein dancelastiger Track erwarten würde. Das Ergebnis trug den Titel “Campione 2000“ und wurde vom schwedischen E-Type komponiert. Es war das erste Mal, dass der Artist der offiziellen Hymne nicht aus dem Austragungsland kam. Musikalisch knüpfte E-Type an den anhaltenden Eurodance-Trend rund um die Jahrzehntwende an. Im Mittelpunkt stand ein eingängiger Chorus, den jeder Fußballfan mitsingen konnte. Dieser wurde von einem treibenden Eurodance-Instrumental begleitet.
Während des Turniers, das Frankreich gewann, hatte der Schwede mit der Nummer semigroßen Erfolg. So ging er in der Heimat auf Platz 2 und in den Niederlanden auf Platz 4, kam aber in Deutschland oder Frankreich nicht einmal in die Top 50. Deutlich größer war der Erfolg des Songs in den Jahren nach dem Turnier. Noch heute spielt der Chorus eine große Rolle im Fußballbereich. So ist der berühmte „Campione“-Ausruf heute Teil von fast jeder Meisterschaftsfeier im Fußball und fungiert als Einlaufhymne von beispielsweise dem englischen Traditionsklub Bolton Wanderers. Diese Entwicklung ist beeindruckend.
Die erste EM-Hymne, die sich schnell zu einem Welthit entwickelte, stammt aus dem Jahr 2004. Für die musikalische Begleitung des europäischen Turniers in Portugal wurde die damals aufstrebende Sängerin Nelly Furtado verpflichtet. Der Titel “Força“ geht auf die Sprache der Gastgeber zurück und bedeutet im Zusammenhang mit Fußball so viel wie Kraft oder Stärke. Musikalisch lieferte die Kanadierin klassischen Pop Folk ab. Im Kopf blieb dabei vor allem der Refrain, der durch die mehrfache Wiederholung des Titels zum Mitsingen anregt. In nahezu ganz Europa gelang Nelly Furtado mit dem Song der Sprung in die Single-Charts. In Österreich, Belgien, Tschechien, Deutschland, Niederlande und Schweiz darf sich “Força“ sogar Top-10-Hit nennen. Der portugiesische Ausruf half der einheimischen Nationalmannschaft im Finale nicht. Die Mannschaft um Weltstars wie Luis Figo und Rui Costa unterlag der Turniersensation Griechenland.
Die UEFA hielt danach an dem Auswahlverfahren für die Hymne fest und wählte 2008 den nächsten Starsänger für den Song aus. Der Europameisterschaft in Österreich und der Schweiz sollte der spanische Teenieschwarm Enrique Iglesias die Hymne beisteuern. “Can You Hear Me“ baute auf ein modernes Pop-Instrumental und einen Refrain, der sich im Ohr des Hörers festsetzt. Bloß der Bezug zum Fußball war vielen Fans unklar. Daher blieb der Song nicht die einzige musikalische Begleitung für das Turnier.
Rückblickend würden die meisten Fußballfans wohl “Feel The Rush“ von Shaggy als EM-Hymne von 2008 bezeichnen. Der fröhliche Reggae-Popsong brachte karibische Vibes in die Alpen. Der Grund für den enormen Erfolg lag wahrscheinlich darin, dass “Feel The Rush“ im Gegensatz zum offiziellen Song die Zuhörer zum Fußballspielen motivierte. Schaut man sich die Chart-Platzierungen von “Can You Hear Me“ an, kann man keinesfalls von einer Flop-Hymne sprechen, doch die Hymne der Herzen für das Jahr 2008 kam zweifellos von Shaggy.
Die volle Dröhung Sommer gab es bei der offiziellen Hymne der Fußball-Europameisterschaft 2012. Für die musikalische Untermalung des Turniers in Polen und der Ukraine wurde die deutsche Sängerin Oceana ausgemacht. “Endless Summer“ hatte das Ziel, mit modernen Dance-Klängen und eingängigen AdLips den Menschen Fußballfeeling einzuhauchen. Kurz nach der Veröffentlichung wurde insofern Kritik laut, als dass der Song zu sehr nach dem 2011er-Sommerhit “Mr. Saxobeat“ von Alexandra Stan klinge. Das lag an dem Einsatz der sommerlichen Instrumente im Mainpart. Die sich dauerhaft wiederholenden AdLips „OhOhOh“ und “YehYehYeh“ sorgten für einen Ohrwurm bei so manch einem Fußballfan. Die sommerliche Ausrichutng des Songs kam bei den Fans an und beförderte “Endless Summer“ in sämtliche Single-Charts Europas.
Als die UEFA 2016 bekanntgab, dass David Guetta den offiziellen Song für die Europameisterschaft in seiner Heimat Frankreich produzieren würde, erhofften sich Dance-Fans einen frischen Sommersong mit elektronischen Einflüssen. Der Star-DJ arbeitete vorab mit unterschiedlichen Sängerinnen zusammen, um die richtige Wahl für “This One’s For You“ treffen zu können. So sang unter anderem Ariana Grande ein. Am Ende entschied sich Guetta für die damals 18-jährige Schwedin Zara Larsson.
Das Release des Tracks sorgte für reichlich Gesprächsstoff in der EDM-Szene. Der Drop von “This One’s For You“ war so sehr an den Moombathon-Style des Welthits “Lean On“ angelehnt, dass die Produzenten DJ Snake und Diplo sich öffentlich über einen „Klau“ austauschten. Daraufhin äußerte eine Vielzahl an EDM-Fans ihre Unzufriedenheit über den EM-Song. Dem Erfolg stand die Diskussion nicht im Weg. “This One’s For You“ ging als eine der erfolgreichsten Hymnen in die Geschichte ein. Es war die erste EM-Hymne auf Platz 1 der deutschen Single-Charts.
Nachdem 2016 mit David Guetta der erste Star-DJ für die Hymne der EM verantwortlich war, bestimmte die UEFA mit Martin Garrix für das Jahr 2020 den nächsten EDM-Produzenten als Hymnen-Artist. Bei seiner Solo-Show zum ADE 2019 verkündete Martin Garrix die Botschaft und sorgte damit bei seinen Fans für extreme Freude. Erscheinen sollte der Song mit dem Titel “We Are The People“ im Mai 2020, doch aufgrund der Verschiebung der EURO verzögerte sich auch die Veröffentlichung der Hymne. Im Mai 2021 war es dann endlich soweit. Martin Garrix veröffentlicht zum 60. Jubiläum der Europameisterschaft den offiziellen Song. Zusammen mit den U2-Mitgliedern Bono and The Edge präsentiert der Niederländer eine mainstreamtaugliche Dance-Pop-Nummer mit Hymnen-Charakter. In der EDM-Szene machte sich zunächst Unmut darüber breit, dass sich Garrix nicht getraut hätte, mehr auf elektronische Sounds zu setzen. Im Mainstream waren überwiegend positive Resonanzen zu hören. Wie “We Are The People“ während des Turniers performt, bleibt abzuwarten.