Hand aufs Herz. Du bist nur beim Artikel hängen geblieben, da die Überschrift polarisiert und etwas Großes verspricht. So einfach lässt sich unser Gehirn austricksen und das nutzen die sozialen Medien, zum Beispiel durch Click-Bait. Durch die Flut an Informationen kommt es immer öfter zum Bedienen von Stereotypien und zum Vorsortieren in Schwarz und Weiß, dem subjektiven richtig und falsch, ohne die Quelle zu kennen.
Aus Sicht eines langjährigen Rock-Musikers habe ich folgende Meinung: Måneskin war lange Jahre eine „live busking band“. Sie haben auf Straßen gespielt und Gelegenheits-Gigs gehabt. Da besteht durchaus das Problem des Konsums, doch ist es Alkohol und nicht teures Kokain. Es geht darum die Realität zu dämpfen und nicht sich trocken aufzuputschen.
Auch, wenn Måneskin ein Image pflegen auf Konventionen zu scheißen, verhielten sie sich wie kleine Kinder bei der Bescherung, als sie 12 Punkte von den Jury-Votes einer der kommerziellsten und ältest-eingesessenen Fernsehveranstaltungen erhielten. Auch, wenn der „Rock `n Roll still lives“, geht es bei der Band dennoch um eine Marke und ein Image und nicht nur um die Musik. Das Event ist trotz der Zuschauer immer auf die TV-Produktion ausgelegt. Überall sind Kameras installiert und im Green Room bleibt nichts ungesehen. Das würde Måneskin, heiß auf Erfolg, nicht aufs Spiel setzen.
Wäre es wahr, dann wäre es natürlich schlecht für das Familienformat „Eurovision Song Contest“, wenn dort jemand live vor 200 Millionen Fernsehzuschauern eine Line zieht. Doch ich verweise auf den ersten Absatz. Eine Show ohne Skandal ist doch nicht denkbar und dann wird einfach eine Behauptung in die Welt gesetzt, die aus Vorurteilen und Beschränktheit besteht.
Wer das professionelle Musikgeschäft kennt, weiß leider, dass Kokain und aufputschende Drogen zum Arbeitsalltag gehören, von DJs bis zu Schlagersängern, vom anzugtragenden Manager, bis zur glitzernden Tänzerin. Diese Normalität des Konsums im System ist der eigentliche Skandal, der genauer betrachtet werden müsste.
Und ein weiterer Skandal ist, dass es so einfach zu sein scheint jemanden etwas anzuhängen, nur weil dieser Jemand anders ist, als der bekannte Durchschnitt. Es ist eine Form des Hasses. Der eigentliche Grund, weshalb die LGBTQI-Community sich den ESC als Ort der Gemeinschaft in den 1980ern aussuchte, war die Möglichkeit als Minderheit eine Normalität leben zu können. Glitzer, Schminke, Tanz, Bewegungen, Outfits, Internationalität, Lebensfreude und Frieden war in dieser „Eurovision Blase“ für alle da und schon immer eine Normalität. Da passen auch trendige Rocker rein, liebe Leute, die es nicht verstehen wollen, dass Normalität heißt, jeden Menschen unterschiedlich sein zu lassen und nicht alle gleich machen zu wollen.