Eurovision Song Contest 2018 - Alle Songs in der Übersicht.
Einer muss sich ja gewaltig aus dem Fenster lehnen, damit ihr mitreden könnt - das bin dann wohl ich. Und ich freue mich, dass ich die Einschätzung aus Wettbüros, Euro-Nerds, Musik-Szene-Kennern und eigener Erfahrung einbringen kann, um deutlich zu sagen, wo sich welches Land im Finale des ESC - nach der zähen oder nervenaufreibenden (je nach Geschmack) Punktevergabe wiederfindet. [Achtung, rechtlicher Hinweis: Diese Liste bietet keine Grundlage für eine stichhaltige Aussage, um in Wettbüros viel Geld einzusetzen. Vielmehr ist sie gedacht, um mit erhobenen Zeigefinger bei Freunden und Bekannten schön klugzuscheißen.]
1. Ukraine (Ukraine) - MELOVIN - Under the ladder
Mit einer Marilyn-Manson-Kontaktlinse, der vampirartigen Performance für Neuntklässler und Sunrise Avenue Melodielinien bietet MELOVIN den flachen Musikgenuss für Charts-Teenager. Als dann aber das klassische, brennende Fake-Piano auftaucht, reicht es.
Anspruch: * - Tanzbarkeit: ** - Spaß: * -- Platz: 15 bis 20
2. Spanien (Spain) - Alfred & Amaia - Tu cancion
Down-Tempo Ballade in Heimatsprache. Der „Sobral-Effekt“ (Leute! Salvador Sobral ist der Gewinner aus dem letzten Jahr) hat viele Länder animiert in Landessprache zu performen und musikalisch anspruchsvollere Kompositionen ins Rennen zu schicken. Das ESC-Trittbrettfahren hat Tradition, funktionierte jedoch fast noch nie. Spanien gehört zu den „Big Five“, die so viel Geld zahlen, dass sie direkt ins Finale kommen. Gut so, denn die plätschernde, tragende Ballade hat Einschlafpotential.
Anspruch: ** - Tanzbarkeit: * - Spaß: * -- Platz: 20 bis 26
3. Slowenien (Slovenia) - Lea Sirk - Hvala, ne!
Altano, was war denn das? Wie ist denn Slowenien weitergekommen? Die Möchtegern-Club-Nummer mit Sprechgesang hat es wirklich durch das Halbfinale geschafft. Ein Halbfinale beim ESC gucken fast nur Euro-Nerds oder Hardcore-Fanbases. Irgendwie ist es ihnen gelungen, mit einem Tanz, der wirkte, wie für eine Jugendfreizeit einstudiert, und geklauten Beats von Katy Perrys “Dark Horse“ in die Champions-League zu kommen. Da baut mich auch das Gimmick nicht auf, dass Lea Sirk so tut, als ob das Playback an einer Stelle nicht funktioniere.
Anspruch: * - Tanzbarkeit: ** - Spaß: * -- Platz: 20 bis 26
4. Litauen (Lithuania) - Ieva Zasimauskaitė - When we're old
Mein erster Gedanke war: Nein, nicht schon wieder eine Ballade! Und dann, Bäm, haut mich Ieva voll aus den Puschen. Eine so zerbrechlich starke Singer-Songwriter-Stimme ist so gefühlvoll und emotional, dass die Ballade mir Tränen in die Augen treibt. So muss Musik. Aus dem Nichts spielt Ieva um die Krone mit.
Anspruch: *** - Tanzbarkeit: * - Spaß: * -- Platz: 1 bis 3
5. Österreich (Austria) - Cesár Sampson - Nobody but you
Für die Queer-Community etwas fürs Auge. Gute Stimme und es geht in Ordnung, dass Österreich ins Finale eingezogen ist. Ein Track irgendwo zwischen Gospel-Spiritual und Bill Withers ist wahrlich kein Garant dafür, um beim ESC aus dem undankbaren Mittelfeld emporzusteigen.
Anspruch: *** - Tanzbarkeit: * - Spaß: ** -- Platz: 15 bis 20
6. Estland (Estonia) - Elina Nechayeva - La forza
Schön, wenn es anspruchsvolle, fast schon E-Musik beim ESC gibt (Anmerkung: Eine alte Einteilung spricht von E-Musik und U-Musik für ernste Musik und unterhaltende Musik.). Aber ich finde den Track Mist, trotz des fließenden, bühnenfüllenden Kleides (ob man die Playsi darüber laufen lassen und einen Ego-Shooter spielen kann - das wäre fett). In den Wettbüros wird Elina tatsächlich hoch gehandelt, deshalb gehe ich mal danach.
Anspruch: *** - Tanzbarkeit: * - Spaß: * (es geht nicht weniger als ein Stern) -- Platz: 10 bis 15
7. Norwegen (Norway) - Alexander Rybak - That's how you write a song
Bekanntes Gesicht (ESC Sieger 2009), einprägsamer Track, netter Riff, Happy Music, amüsantes Thema (wie man einen Hit schreibt) - gut gewählte Zutaten. Mischt unaufgeregt in der Top 10 mit.
Anspruch: ** - Tanzbarkeit: ** - Spaß: *** -- Platz: 4 bis 10
8. Portugal (Portugal) - Cláudia Pascoal - O jardim
Sehr gut geeignet als Titelmelodie für einen Independent-Film aus Brasilien. Beim ESC funktioniert die gleiche Taktik nicht zweimal nacheinander. Sympathisch, tief, aber nichts für das Finale.
Anspruch: *** - Tanzbarkeit: * - Spaß: * -- Platz: 20 bis 26
9. Großbritannien (United Kingdom) - SuRie - Storm
Die Briten, sie können es einfach. Na ja, nicht in diesem Jahr - und auch nicht in den letzten. Aber damals konnten sie ESC. Ziemlich langweilige Nummer mit Utz,Utz,Utz,UtzUtz Taktung. Was? Oh, ich muss beim Anhören kurz eingenickt sein…
Anspruch: * - Tanzbarkeit: ** - Spaß: * -- Platz: 20 bis 26
10. Serbien (Serbia) - Sanja Ilić & Balkanika - Nova deca
Ernsthaft: tolle musikalische Reise in Ethno-Klänge. Hochwertige und intelligente Musik. Leider wird Sanja mit seiner Crew ziemlich weit unten landen.
Anspruch: *** - Tanzbarkeit: * - Spaß: * -- Platz: 20 bis 26
11. Deutschland (Germany) - Michael Schulte - You let me walk alone
Viel habe ich über die deutschen Verantwortlichen der Eurovision gemeckert - seit Jahren. Ich glaube, der sympathische (und er hat sich wirklich gut verkauft im Vorfeld) Michael Schulte mit dem soweit guten Song reißt in einer musikbasierten One-Man-Nicht-Show vieles heraus, was strukturell vermasselt wurde. Doch anders als die Wettbüros, die ihn mittlerweile auf Platz 5 sehen, ist irgendwo ein Haken, der noch nicht bedacht wurde. Ich habe mit einem ESC-musikalisch-belastbaren Freund gewettet, ob Michael Schulte auf 1 bis 10 landet, dann muss ich in der Karaoke-Bar den Song performen oder auf 11 bis 26, dann ist er dran. Ich bin gespannt.
Anspruch: *** - Tanzbarkeit: * - Spaß: * -- Platz: 18
12. Albanien (Albania) - Eugent Bushpepa - Mall
Ach, Albanien ist auch dabei, waren die in einem Halbfinale? Bei dem Song bleibt nichts haften. Und so rutscht Eugent wie geschmiert bis nach unten durch. Moment, das Möchte-Gern-Axl-Rose-Gekreische bleibt doch im Ohr - wo sind die Q-Tipps?
Anspruch: * - Tanzbarkeit: * - Spaß: * -- Platz: 20 bis 26
13. Frankreich (France) - Madame Monsieur - Mercy
Mit französischer Musik werde ich gerne nicht warm. Ich brauchte ein paar Anläufe und schüttelte France Gall ab. Mittlerweile mag ich den sehr schlichten und minimalistischen französischen Beitrag. Er wird hoch gehandelt, was ich verstehen kann. Das Problem kann sein, dass er bei den Zuschauern nicht ankommt, da sehr viele die ESC-Songs nur einmal und zum ersten Mal hören - und Madame Monsieur funktioniert nicht direkt im Ohrwurm-Bereich.
Anspruch: *** - Tanzbarkeit: ** - Spaß: *** -- Platz: 4 bis 10
14. Tschechische Republik (Czech Republic) - Mikolas Josef - Lie to me
Der smarte Schnösel musste einige Motherfucker-Streichungen im Sprechgesang-Part durch die EBU (European Broadcasting Union) hinnehmen müssen. Lange schaffte Tschechien nicht mehr den Einzug ins Finale. Aber mit der durchschnittlichen, anzüglichen und flotten (fast - wegen der langen Rap-Parts - gewagten) Nummer hat es geklappt. Nur die 80’s Synthi-Trompete nervt, ist aber ein beliebtes Gimmick im ESC.
Anspruch: * - Tanzbarkeit: ** - Spaß: *** -- Platz: 15 bis 20
15. Dänemark (Denmark) - Rasmussen - Higher ground
Als Fast-Däne stehe ich voll hinter dem dänischen Beitrag. Die Musik, die Musiker und die Performance spielt natürlich komplett mit Stereotypien, aber was soll’s. Rasmussen, rock die Hütte und wenn es nicht friedlich geht (wie im Song), dann fahr mit deinem Drachenboot nach Lissabon und nehme es ein.
Anspruch: * - Tanzbarkeit: * - Spaß: ** -- Platz: 10 bis 15
16. Australien (Australia) - Jessica Mauboy - We got love
Extrem durchgestylter Song - in diesem Fall nicht lobend gemeint. Alle Ecken und Kanten sind weg-produziert und es klingt wie jeder beliebige Pop-Song ohne Seele, da hilft auch das nette Stimmchen und der Trommel-Part nicht. …und noch `ne Runde Disco-Fox…
Anspruch: * - Tanzbarkeit: *** - Spaß: * -- Platz: 15 bis 20
17. Finnland (Finland) - Saara Aalto - Monsters
Mainstream-EDM-Anleihen machen den Track tanzbar. Obwohl der Refrain immer wiederholt wird, ist es kein Top-Line Gesang. Somit wird Saara etwas anstrengend und es „dropped“ nichts. Aber die Performance wirkte echt und sie transportiert etwas, das den Zuhörer mitnimmt.
Anspruch: * - Tanzbarkeit: *** - Spaß: ** -- Platz: 4 bis 10
18. Bulgarien (Bulgaria) - Equinox - Bones
Exzellent arrangierter Song, der sein Potential im Finale erst richtig ausschöpfen wird. Sehr intelligent gesetzte Gesangsstimmen mit einem Beat der trägt. Unterschätzt und ganz oben dabei.
Anspruch: *** - Tanzbarkeit: * - Spaß: ** -- Platz: 4 bis 10
19. Moldawien (Moldova) - DoReDos - My lucky day
Ich glaube Ethno-Pop wird die Art von Musik gerne genannt. Ich nenne es Balkan-Brass-Brett. Leider ist der B-Part zu vorhersagbare Euro-Dance-Grütze. Aber die Balkan-Bläser sind großartig.
Anspruch: ** - Tanzbarkeit: ** - Spaß: ** -- Platz: 10 bis 15
20. Schweden (Sweden) - Benjamin Ingrosso - Dance you off
Noch einmal kurz: wohlfühlen, lächeln und abtanzen bei funky Gitarrenriffs. Die Qualität der skandinavischen Musikproduzenten scheint sich durchzusetzen und doch wieder einmal mit dem „Timber-Like“ Erfolgsrezept „irgendwie bekannte Tanznummer, aber doch neu“ in die Top 10 des Finals zu gelangen. Mehr Infos zum Song und Swedish-ESC-Mafia gibt es hier. https://www.dance-charts.de/201803199834/benjamin-ingrosso-dance-you-off
Anspruch: * - Tanzbarkeit: *** - Spaß: *** -- Platz: 4 bis 10
21. Ungarn (Hungary) - AWS - Viszlát nyár
Ey, seit Jahren will ich für Dance-Charts von Wacken berichten, da ich glaube, dass viele EDM-Anhänger einfach mal einmal im Jahr (inkognito) gerne die positive Sau beim WOA rauslassen. Doch die zieren sich immer. Nun mischen sich die Wacken-Leute in den ESC ein und fordern auf für AWS zu stimmen. Wenn ich schon nicht für die ESC-Community nach Wacken darf, dann bitteschön mischt euch nicht in „meinen“ ESC ein ? - Schon eine Überraschung, dass AWS ins Finale einzieht, werden sie nicht hoch gehandelt. Ich glaube aber, sie erzielen mit Metal einen sehr hohen Achtungserfolg. Gut so!
Anspruch: * - Tanzbarkeit: *** - Spaß: *** -- Platz: 4 bis 10
22. Israel (Israel) - Netta - Toy
Netta scheint auf der Zielgeraden die Puste auszugehen. Sie wurde wochenlang schon gehypt, als hätte sie den ESC 2018 gewonnen. Eine schräge Persönlichkeit mit schräger Performance und guter Musik ist genau das richtige Rezept, um das gläserne Mikrofon mit nach Hause zu nehmen. Doch irgendwann fällt dem Zuhörer auf, dass der Mittelteil des Songs eher mau ist und das Hühner-Geplauder beginnt zu nerven. Unfair, aber so ist es mit hoch gehandelten Favoriten - insbesondere beim ESC, der Show für die Minderheiten-Community. Ich finde den Song noch immer genial für den ESC, sage aber, dass sie sogar aus der Top 3 fällt (ist gewagt, aber ich mag ja polarisieren…)
Anspruch: ** - Tanzbarkeit: ** - Spaß: *** -- Platz: 4 bis 10
23. Niederlande (The Netherlands) - Waylon - Outlaw in 'em
Waylon ist ein Überbleibsel der „Common Linnets“, dem gefühlvollen Überraschungserfolg (Platz 2) beim ESC als Conchita Wurst gewann (2014). In einem Blues-Club würde ich mir Waylon durchaus mit seinem handgemachten Country-Rock angucken, doch ich hatte ihn nicht im Finale gesehen. Er wird im Mittelfeld verschwinden.
Anspruch: ** - Tanzbarkeit: * - Spaß: * -- Platz: 15 bis 20
24. Irland (Ireland) - Ryan O’Shaughnessy - Together
Der Ausdruckstanz eines schwulen Pärchens mag zwar nett anzuschauen sein, nur passte dieser gar nicht zum Song. Dennoch bin ich der Meinung, dass die Tänzer einen großen Anteil am Erfolg von Ryan beim diesjährigen ESC haben. Mittlerweile wird er in den Top 3 gehandelt. So weit möchte ich bei der Power-Ballade nicht gehen, doch sie hat einen angenehmen Abgang.
Anspruch: ** - Tanzbarkeit: ** - Spaß: * -- Platz: 4 bis 10
25. Zypern (Cyprus) - Eleni Foureira - Fuego
Heiße Schnecke, Cat-Suite aus Glitter und Nichts, Shakira Attitüde und eine sehr gut arrangierte Tanz-Nummer. Da kann man nicht viel meckern. Dass Eleni bei der gut choreografierten Performance auch noch den Ton halten kann, ist bemerkenswert. Undankbar ist die Startnummer 25, trotzdem geht der Song ganz steil.
Anspruch: * - Tanzbarkeit: *** - Spaß: *** -- Platz: 1 bis 3
26. Italien (Italy) - Ermal Meta & Fabrizio Moro - Non mi avete fatto niente
Für mich nicht nur die Startnummer 26, sondern auch weit hinten im Finale. In den Wettbüros wird der italienische Titel (direkt im Finale) hoch gehandelt. Er behandelt als Thema die Gewalttaten und terroristischen Anschläge der letzten Jahre und dass wir gemeinsam stark sind. Toll, aber wenn der Song nervt, dann hat er keinen anderen Platz als hinten verdient. (P.S.: Ich liebe Lucio Battisti - italienischer Liedermacher der 1970er. Da es an seine musikalisch-gesangliche Art angelehnt ist, finde ich es noch mehr als Affront, weshalb bei mir nicht mehr drin ist.)
Anspruch: *** - Tanzbarkeit: * - Spaß: * -- Platz: 20 bis 26
Fazit: Unabhängig von Wettbüros und Experten ist der Gewinner Litauen, dann knapp dahinter Zypern, danach Frankreich und Israel. Deutschland landet auf Rang 18 trotz der guten Wetten. Die letzten Plätze belegen Albanien, Slowenien, Serbien, Portugal und Großbritannien.