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Für und Wider des Rankings

DJ-Mag-Voting 2016: Einfach abschaffen?

(Geschätzte Lesezeit: 5 - 9 Minuten)

Alle Jahre wieder verfolgt uns geschundene Fans der elektronischen Musik das (bestenfalls) umstrittene Beliebtheitsvoting des britischen DJ Magazines, in dem die bekanntesten DJs der Welt um Krone und Thron dieser inoffiziellen Weltrangliste der musizierenden Zunft rivalisieren. Abgesehen von dem beträchtlichen Prestige, den eine hohe Platzierung einbringen kann, bemessen sich insbesondere die Gagen der Top-DJs für das Folgejahr an ihrer jeweiligen Platzierung. Leider hat die Abstimmung eine unschöne Metamorphose durchgemacht und zeigt uns in den vergangenen Jahren immer deutlicher die hässliche Fratze des reinen Kommerz. Aber lest selbst...


Die besten DJs der Welt?

In den vergangenen Jahren geriet das DJ-Mag-Voting immer stärker in die Kritik. Oftmals hört man, es handele sich hierbei um ein reines Beliebtheitsranking. Ebenso weit verbreitet hält sich der Vorwurf, dass die Rangliste mit echten DJs nur wenig zu tun hätte. Seit wenigen Jahren hält zudem eine immer tiefergehende Kommerzialisierung des Rankings Einzug, die den treuen Fans der elektronischen Tanzmusik mehr und mehr unangenehm wird.

Für einen regelrechten Aufschrei sorgte dann im vergangenen Jahr der nicht unumstrittene Sieg der belgischen Brüder Dimitri Vegas & Like Mike, die sich bereits seit Jahren (wohl zurecht) dem Vorwurf erwehren, ihre Singles und sogar ihre Livesets produzieren zu lassen. Zu diesem Thema ist inzwischen wohl alles gesagt, daher verzichten wir auf eine nähere Erörterung.

DJ mag Voting

Was wir sicher wissen, ist, dass durch das Ranking des DJ Mag noch nie der weltbeste DJ ermittelt wurde. Der Sieger der ersten Austragung im Jahr 1997 beispielsweise war die britische Techno-Legende Carl Cox, den man heutzutage allein aufgrund seiner dauerhaften Verdienste um die Musik liebend gern höher als auf Platz 63 sähe. Cox mag zwar ohne jeden Zweifel gemessen an seinen Fähigkeiten an den Decks mit Sicherheit ein guter bis sehr guter DJ sein, doch gegen einen damals 15-Jährigen DMC-Sieger A-Trak oder einen Q-Bert dürfte er auch in diesem Jahr bereits alt ausgesehen haben.

Allgemein lässt sich beobachten, dass die jeweiligen höchstplatzierten DJs meist aufgrund ihrer jeweiligen Verdienste um die elektronische Musik ausgewählt wurden. Der Rekordsieger Armin van Buuren, der sich bereits fünfmal die Krone des Erstplatzierten aufsetzen durfte, ist dafür wohl das beste Beispiel. Aber auch Leute wie Tiësto (drei Siege) oder auch unsere deutsche Legende Paul van Dyk (zwei Siege) haben viel dazu beigetragen, dass elektronische Musik heute den Stellenwert hat, der sie eben so erfolgreich macht. Das war auch der Grund für Hardwells Doppelsieg 2013 und 2014 - und eigentlich auch 2015, wenn da nicht einige iPads gewesen wären...


DJ-Mag-Voting 2015: Betrug und Schiebung?

Ganz klar ist - wie oben ausgeführt -, dass das Ranking des DJ Magazines nicht den technisch besten DJ belohnt, sondern eher ein Gesamtpaket aus hochwertigen und erfolgreichen Produktionen, großen Shows und dem allgemeinen medialen Auftreten der Kandidaten abbildet. Nur so erklärt es sich, dass ein Laidback Luke - der wohl technisch beste Mainstage-DJ der Welt - inzwischen auf Platz 64 angekommen ist. Aus den Top-40 des Vorjahres könnte man maximal 20% der dort aufgeführten DJs unterstellen, tatsächlich gut aufzulegen, wenngleich sie mit Sicherheit nicht aufgrund ihrer Skills dorthin gewählt wurden. Ginge es darum, stünden auf den Top-Plätzen DJs wie A-Trak, Q-Bert, Kentaro, Eskei83 oder Trentino.

Dj Mag iPad Girls

Sieger des Vorjahres waren - wie schon zur Genüge durchgekaut - die belgischen Brüder Dimitri Vegas & Like Mike. Ihren Aufstieg verdanken sie (neben Niles Hollowell-Dhar und Maarten Vorwerk) insbesondere dem Tomorrowland-Festival, als dessen Gesichter sie seit einigen Jahren fungieren. Im Vorjahr machten sie dann mit mehr als unrühmlichen Praktiken auf sich aufmerksam, als sie auf den Tomorrowland sowie auf mehreren Ausgaben ihrer Showreihe „Bringing the World the Madness“ leicht bekleidete junge Damen (einige Festivalbesucher berichteten sogar von Stripperinnen) mit iPads umherschickten, um die Gäste dazu zu bringen, sich für das DJ-Mag-Voting zu registrieren und im besten Falle für Dimitri Vegas & Like Mike zu stimmen. Offenbar zündete diese unlautere Idee prompt, sodass das DJ Magazine im letzten Jahr ein Rekordhoch von einer Million Stimmen verzeichnete und Dimitri Vegas & Like Mike überraschend vor Hardwell auf Platz Eins sprangen.

Eine Horde von Katzen herumzuschicken wäre wohl effizienter gewesen, denn das Gehirn einer Katze hat in etwa den tausendfachen Wirkungsgrad eines iPads, wie wir zuletzt erfahren durften - und Katzen sind einfach noch weitaus süßer als Tablets...


Was folgern wir daraus?

Die Reaktionen auf den Sieg der Belgier fielen sehr unterschiedlich aus. Einige wenige Fans ihrer Musik brachten in den sozialen Netzwerken ihre Freude zum Ausdruck, während der überwiegende Teil der Fangemeinde... nun ja... weit weniger überschwänglich reagierte. Hardwell merkte man es in seinen Tweets zu dem Ranking recht deutlich an, dass er sich betrogen fühlte, sodass er als einziger der Top-10 darauf verzichtete, seine Platzierung in sozialen Netzwerken bekannt zu geben, sondern das Voting so gut es ging ignorierte - jedoch nicht ohne ein paar bissige Tweets loszulassen. Tatsächlich solidarisierten sich einige andere Kandidaten mit dem vorherigen Top-DJ und kritisierten das Voting scharf. Die Reaktion aus Belgien folgte auf dem Fuße: Aus bislang ungeklärten Gründen wurde Hardwell nicht als Mainstage-Act für das Tomorrowland 2016 gebucht - der fade Beigeschmack: Die Veranstalter des Festivals sind zugleich die Manager von Dimitri Vegas & Like Mike.

Dj Mag iPad GirlsHardwell ließ daraufhin einige recht deutliche Hinweise auf Twitter fallen, von wem seine Nichtberücksichtigung ausging. Nach dem Fiasko des Vorjahres scheint er das Voting in diesem Jahr offensichtlich boykottieren zu wollen. Als einziger der üblichen Aspiranten veröffentlichte er bislang noch keinen einzigen Post oder ähnliches, was auf eine großangelegte Werbekampagne für das DJ-Mag-Voting hindeuten würde. Vielmehr sieht es so aus, als ob ihm die Veranstaltung in diesem Jahr gelinde gesagt am Allerwertesten vorbeiginge. Währenddessen gibt es aktuell vier Strömungen unter den übrigen DJs: Die einen schalten teure Werbeanzeigen auf diversen Webseiten, darunter ganz besonders penetrant R3hab und die VINAI-Brüder, die ja nun im vergangenen Jahr genau gar nicht glänzen konnten und nun einen mehr als schlechten Bootleg des Klassikers „ZombieNation - Kernkraft 400“ als Belohnung für ihre Fans zur Verfügung stellten.

Andere wiederum verzichten auf zu offensichtliche Werbung, lassen ihre Fans aber auf sozialen Netzwerken wissen, dass es das Voting gibt und sie sich über eine Stimme freuen würden - oftmals verbunden mit angeboten für kostenlose Exklusiv-Tracks. Eine dritte Gruppe macht sich dankenswerterweise über das Voting lustig: Ein gutes Dutzend sarkastischer Tweets des kanadischen Entfant Terrible deadmau5 über das Voting existiert bereits und wir dürfen uns sicher sein, dass sich diese Zahl noch vervielfachen wird. Auch Tony Junior macht sich recht offensichtlich über die ganze Abstimmung lustig und postet fleißig Bilder von sich und einer der berüchtigten Voting-Crews... Womit wir auch schon bei der vierten Gruppe wären, die allerdings nur aus zwei Personen besteht. Wer? Genau, Dimitri Vegas & Like Mike! Es existieren (jetzt schon!) dutzende Beweisfotos auf Twitter, auf denen die berüchtigten Voting-Crews der Belgier auf verschiedenen Festivals zu sehen sind. Manch einer mag sich fragen, was dieses Vorgehen überhaupt bringt.

Das ist recht einfach gesagt: Durch die Promotion-Teams werden Personen zur Abstimmung bewegt, die sonst nie selbst abgestimmt hätten; und da sie sich gerade auf einem Festival befinden, auf dem die Belgier im schlimmsten Falle kurz zuvor aufgelegt haben, dürfte jedem recht leicht ersichtlich sein, wie das Votum dieser Personen aussehen wird. Apple-Fans dieser Welt, versteckt Eure iPads!


Und die Moral von der Geschicht'?

Wähl' die beiden Belgier nicht! Für ihr unlauteres Geschäftsgebaren haben die DJ-Brüder eigentlich eine Disqualifikation verdient. Eine weitaus süßere Rache wäre allerdings eine weitere Top-Platzierung für den so geschmähten Hardwell, der ja wie oben angesprochen auf jegliche Kampagne verzichtet. Gemessen an den von ihm veröffentlichten Tracks mögen einige das vergangene Jahr zwar mit gemischten Gefühlen sehen, Songs wie „8Fifty“, „Hollywood“ und „Calavera“ gefielen sicherlich nicht jedem EDM-Fan (auch unsere Redaktion nahm die Nummern sehr gemischt auf), allerdings gleichen das Songs wie „Mad World“, „Run Wild“ oder „Blackout“ mehr als aus.

Zudem schafft es Hardwell wohl mit jedem seiner Auftritte, die Menge vollauf zu überzeugen, beispielsweise dürfte sein Ultra-Miami-Set zumindest unter den Top-3 des Festivals gelegen haben, wenn nicht sogar das beste des ganzen Wochenendes gewesen sein. Zudem macht er sich seit Jahren durch die Förderung junger Talente wie Julian Calor oder Kaaze (oder in dessen Frühphase auch durch sehr starken Support von Martin Garrix) verdient. Dazu zeigt er auch, dass er mehr als nur der übliche Mainstage-DJ ist. Unvergessen ist sein EDC-Set im vergangenen Jahr, als er eine ganze Stunde Hip-Hop spielte, ebenso wie mehrere Überraschungs-Gigs in kleineren Clubs seiner Heimatstadt Breda, in denen er unfassbar gute Auftritte hinlegte.

Dj Mag iPad GirlsSogar Martin Garrix - einer der Mitfavoriten - machte sich in einer Videobotschaft dafür stark, Hardwell in diesem Jahr wieder zu wählen. Zusammenfassend kann man sagen, dass ein Sieg Hardwells wohl einiges an Integrität in das Voting zurückbringen würde, da zumindest wieder ein verdienter Sieger ganz oben stünde und das völlig ohne jegliche Werbekampagne.

Andererseits könnte man auch argumentieren, dass ein kompletter Boykott der Abstimmung wohl das beste wäre: Denn je geringer der Stellenwert des Votings wird, desto lächerlicher erscheinen die großangelegten Promo-Kampagnen. Wurden früher noch die DJs mit den größten Verdiensten um die Szene auf die hohen Plätze gewählt, erscheint es aktuell eher so, als ob die teuerste Werbekampagne den Ausschlag gibt - siehe Dimitri Vegas & Like Mike. Und wie genau erklärt es sich, dass ein KSHMR, der bis zum Schluss der Abstimmung genau eine einzige öffentliche Show in seinem ganzen Leben gespielt hatte, auf Platz 23 landete?

Zwar fiel er mit konstant guten Produktionen auf, jedoch in keinem Falle als herausragender DJ - zumal er in den vergangenen Wochen durch sehr schlechte prerecordete Sets auffiel, insbesondere sein Auftritt beim Electric Love Festival vor einigen Tagen war dementsprechend eher peinlich als schön anzusehen. Angesichts solcher Entwicklungen hat sich das Voting eigentlich selbst ad absurdum geführt und sollte schleunigst in der Versenkung verschwinden - was wohl leider nicht so schnell passieren wird. Über die Entwicklungen und Ergebnisse des diesjährigen Votings werden wir Euch natürlich wie immer auf dem Laufenden halten. Und nicht vergessen: Die Hoffnung (auf Gerechtigkeit) stirbt zuletzt!

 

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Über den Autor
Maximilian Wild

Ich bin Jurastudent und bereite mich derzeit auf mein Staatsexamen vor. Meine Interessenschwerpunkte liegen im Bereich des geistigen Eigentums, das sich mit meinem ausgeprägten Interesse für Musik trifft. Für Dance-Charts.de verfasse ich hauptsächlich Nachrichten, Kommentare und Kolumnen, die sich mit aktuellen Entwicklungen der Szene befassen. Ich favorisiere kein Genre besonders, sodass sich in meinen Playlisten bunte Mischungen aus Tech House, Hardstyle und EDM finden. Mein absoluter Lieblingsact ist allerdings das deutsche House-Duo Claptone.

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