Nicht nur ein teurer Benz, Zigarettenqualm, "Bitches" und Drogen zuhauf - der Inhalt vom Großteil der aktuellen Musikvideos in den deutschen Singlecharts. Mero, Ufo 361 oder Capital Bra heißen die neuen Größen in den Top Ten der offiziellen Singlecharts Deutschlands. Sie verbreiten ein Image, welches ziemlich einzigartig in der weltweiten Chartlandschaft ist. Ist doch toll oder? Wie krass das Gangster-Image der deutschen Charts wirklich ist und wie es beim Rest der Welt aktuell in den Charts aussieht - ein Überblick.
Schon seit einiger Zeit hat sich in den deutschen Charts eine neue Musikrichtung etabliert, die die EDM-Trendwelle der der vergangenen Jahre ablöste: Rap. Genauer gesagt: Deutschrap. Erste Anzeichen gab es bereits im Oktober 2017 als "Was Du Liebe Nennst" vom deutschen Rapper Bausa ganze acht Wochen auf der Spitzenposition stand bis dann Künstler wie Ed Sheeran, Camilla Cabello oder Justin Bieber wieder die Regie übernahmen. In den darauffolgenden Monaten tauchten immer wieder deutsche Raptracks in den Top Ten auf. Immerzu schön vermischt mit 0815-Pop wie "Friends" von Marshmello.
Den Sommer 2018 kann man dann gut als den Umschwung in den deutschen Charts bezeichnen. Immer mehr Capital Bra und Summer Cem tauchten auf. Unterbrochen von Megahits wie "Bella Ciao" oder "In My Mind". Im Oktober 2018 gab es dann zwischendurch mal Phasen wo die Rapper Bonez MC und RAF Camora mit ihrem gemeinsamen Album zeitweise acht der zehn Topplatzierungen in den Charts innehatten. Bis zum aktuellen Zeitpunkt gab es dann noch seltene Ausnahmen wie "Sweet But Psycho", "High Hopes". In der vergangenen Chartwoche (29.03. bis 04.04.) verzeichneten wir das erste eine Deutschrap-Quote in den Top Ten von 100 Prozent. Alle 10 Songs kommen von Capitial Bra, Mero und co. Die kompletten Top 100 bestehen aus insgesamt 48% Deutschrap - fast die Hälfte.
Nachbarland Österreich hat bereits im Herbst 2018 durchgegriffen (wir berichteten). Dort nahm das Album von Bonez MC und RAF Camora 13 von 14 der ersten Platzierungen der Charts ein. Darauf reagierten die Zuständigen und änderten das System dahingehend, dass nur noch die drei meistgehörtesten Tracks eines Albums in die Charts aufgenommen werden - eine Lösung, die erstmal fragwürdig erscheint. Zu viel Rap in den Charts der deutschsprachigen Länder...Sollte man dies wirklich mit Regelveränderungen und somit Verfälschung der tatsächlichen Chartsituation bekämpfen? Deutschland hat bisher noch keine Änderungen vorgenommen. Und das ist eigentlich auch ehrlicher so. Denn somit würden die Charts nicht mehr die tatsächlich meistgehörtesten Songs widerspiegeln und damit ein falsches Bild der deutschen Musikhörerschaft vermitteln. Doch was dann?
Viele Menschen in Deutschland, inklusive einem Großteil unserer Redaktion, sind nicht begeistert von dem aktuellen Trend in den deutschen Charts. Auch auf großen EDM-Festivals werden EDM-Headliner durch Deutschrapper ersetzt. Eine Todsünde für viele Fans der elektronischen Musik. "Kokain", "Baller los" und "Palmen aus Plastik" sind allesamt keine lyrischen Meisterwerke oder musikalische Vorzeigewerke. Auch das Image, welches darin vermittelt wird ist ein gewöhnungsbedürftiges. Meistens dreht es sich um Drogen, oft auch Gewalt oder "Bitches" - und das häufig erschreckend positiv.
Weltweit findet man zwar auch zahlreiche Rap-Tracks wieder, doch nirgendwo so krass wie in unseren Breiten. Viele Länder haben stets auch nationale Songs in ihren Charts, die ihr Land in irgendeiner Weise wiederspiegeln. Norwegen hat international durchstartende Stars wie Astrid S oder Sigrid im Trend. Frankreich haben nach wie vor viele landestypische Klänge im Programm und Spanien versprüht auch charttechnisch die gute Laune der Latino-Musik. Dort ist aktuell aber auch die Popmusik-Quote noch deutlich höher als hier. Musiktechnisch positioniert sich Deutschland dagegen aktuell ziemlich eindeutig. Doch wollen wir Songs, die "Kokain" oder "Gib Ihm" wirklich als internationales Aushängeschild haben? Die Fakten sagen: Ja, wollen wir.