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Wenn aus German Angst der German Neid wird

Über Jan Leyk vs. Le Shuuk und die deutsche Neidkultur

(Geschätzte Lesezeit: 3 - 6 Minuten)

Gestern Vormittag war es einmal mehr so weit: Die deutsche Neidkultur sprang wieder einmal auf die EDM-Szene über. Es war nicht das erste Mal und das letzte wird es erst recht nicht gewesen sein, aber einen interessanten Anblick bot Jan Leyks fröhliches Satzzeichenrudel dann doch. Oft stellt sich die Frage, weshalb so viele weltbekannte Musikproduzenten und DJs aus einem so vergleichsweise kleinen Staat wie den Niederlanden stammen, gestern legte der Hamburger DJ wie so oft schon wieder ein eindrucksvolles Zeugnis der Gründe ab.


Was war passiert?

Ein beliebtes Sprichwort unter Juristen besagt „Der Nachbar ist der natürliche Feind des Menschen.“. Dieser Binsenweisheit wohnt ein größerer Wahrheitsgehalt inne, als man zunächst glauben mag. Tatsächlich wurde dem Amtsgericht Grünstadt (Billige Kalauer zu diesem Namen unterbleiben an dieser Stelle.) vor gut 20 Jahren ein recht abstruser Rechtsstreit vorgelegt, in dem ein Bürger gegen seinen Nachbarn klagte, der in seinem Vorgarten einige handgefertigte Gartenzwerge in obszönen Posen aufgestellt hatte.

Einer der Zwerge streckte sein entblößtes Hinterteil gen Nachbarhaus, ein anderer zeigte Passanten gar den Mittelfinger. Wer seine innere Barbara Salesch bemüht, wird das Urteil des Gerichts auf Beseitigung der Gartenzwerge sicherlich mit seinem Rechtsempfinden vereinen können. Wo wir bei Gartenzwergen sind... Heute Morgen warf Jan Leyk, seines Zeichens DJ, Musikproduzent und Ex-Trash-Serien-Darsteller bei RTL II, dem deutschen Mainstage-DJ Le Shuuk, mit dem er in der Vergangenheit bereits häufiger aneinandergeraten war, vor, auf der BigCity-Beats-Veranstaltung „World Club Dome 2016“ ein vorgemixtes DJ-Set abgespielt zu haben und lieferte dazu gleich noch „Beweisfotos“.

Fix noch einen diffamierenden, übertrieben empathischen Facebook-Post verfasst und schon kann die wilde Hetzjagd losgehen. Hier - man mag es kaum glauben - bewies die deutsche Facebookgemeinde tatsächlich den so wichtigen Funken Anstands und stellte den Sachverhalt in den Kommentaren unter dem Post richtig. Entgegen Leyks Auffassung wurden die angehängten Bilder nämlich nicht während Le Shuuks Set geschossen, sondern während der Abschiedszeremonie, die aus dem Abspielen der WCD-Hymne und einem darauf abgestimmten Feuerwerk mit Lightshow bestand. Dass in diesem Falle Musik und Technik einer engen Abstimmung bedürfen und es somit nicht infrage kommt, die Hymne via CDJs abzuspielen, sollte selbsterklärend sein.


Was schließen wir daraus?

Gerechtigkeit siegt eben doch. Wenn es denn wirklich so wäre. Denn obwohl Leyk relativ schnell in seine Schranken verwiesen wurde, ward ihm doch eine gewisse (negative) Publicity zuteil. Negative Schlagzeilen sind auch Schlagzeilen und die möchte man einem selbstdarstellerischen Neidhammel wie Jan Leyk eigentlich gar nicht gönnen. Und genau solche Sätze sind das oben angesprochene Problem! In unserem Fall mag die Missgunst gegenüber Gartenzwerg Leyk zwar durchaus angebracht sein, aber sie ist eben auch das Problem, durch das ein so bevölkerungsreiches Land wie Deutschland so verhältnismäßig wenige DJs und Produzenten von Weltformat hervorbringt. Darauf angesprochen, weshalb denn die Niederlande einen so großen Anteil der DJ-Weltelite stellen, äußerte sich Jay Hardway im Dance-Charts.de-Exklusivinterview wie folgt:

 

„Wir sind ein kleines Land und die Menschen sind sehr nett und bescheiden, also helfen wir uns gegenseitig und mögen es, zusammen zu arbeiten. Wir sehen uns nicht gegenseitig als Konkurrenz an.“

Und genau das ist das deutsche Problem! In Jan Leyks Post schreit der Neid geradezu aus jeder einzelnen Zeile heraus „Huhu, hier bin ich!“, oder „Ich sitze jeden Tag 27 Stunden im Studio und das neun Tage die Woche, aber der böse Le Shuuk darf die Mainstages bespielen und ich nicht!!!!!1!einself!! Social Media, mach was!“. Währenddessen spielen internationale Top-DJs wie Will Sparks und Dannic ohne jedes Zögern nach ihrer jeweiligen Settime spontan noch ein fast einstündiges Überraschungs-B2B-Set im Münchner Neuraum. Unter deutschen DJs nahezu undenkbar. 

Hierzulande kämpfen, ja bekriegen sich junge DJs untereinander geradezu um jede Sekunde kostbarer Settime. Unterstützung für Kollegen oder ein nettes Wort für die gute Arbeit eines jungen Nachwuchsproduzenten? Fehlanzeige. Währenddessen bei den Top-DJs: Im vergangenen Monat ermöglichte der geradezu legendäre DJ Laidback Luke dem erst fünfzehnjährigen Mark Villa ein Release auf seinem Hauptlabel Mixmash Recordings. Und Womit? Mit Recht! Durch Laidback Lukes berühmtes Forum erlangte bereits Avicii Bekanntheit. Und wie läuft das hierzulande? Genau, jeder zerhated jeden und international erfolgreich werden die EDM-Künstler erst, wenn sie ihre Heimat verlassen. Bestes Beispiel hierfür dürfte wohl Zedd sein.


Der Kampf der Gartenzwerge

Manch einem mag sich die Frage stellen, wieso er denn ausgerechnet deutsche DJs unterstützen solle, einem Mitglied der Grünen Jugend würde dieser Gedanke wahrscheinlich sogar sauer aufstoßen, denn diese Art von Territorialdenken begründet Patriotismus und den damit verbundenen Nationalismus noch eher als es ein Deutschland-Wimpel beim Public Viewing je schaffen könnte. Und hier stoßen wir abermals auf ein gewichtiges Problem: Nationale Identität - Fehlanzeige! Dabei sollte es doch gerade heißen „Das ,Wir' gewinnt!“. Das hat auch nichts mit nationaler Ausgrenzung zu tun, denn es heißt ja nicht „Wir gegen die anderen!“ (das gilt nur beim Fußball, auch wenn sich die Niederländer da wohl in diesem Jahr eher schwer tun dürften), sondern getreu Hardwells Showmotto: „United We Are!“ Für nichts anderes steht nämlich elektronische Tanzmusik, kurz EDM! Zusammen zu guter Musik feiern und eine gute Show genießen.

Das hat auch unsere deutsche Legende Paul Van Dyk unzählige Male vergeblich gepredigt. Das innerdeutsche Konkurrenzdenken scheint unüberwindbar, kaum mehr kommt es zu ernstzunehmenden deutsch-deutschen Kollaborationen in der elektronischen Musik. Um das obige Beispiel auszuquetschen wie einen Dagobert-Duck'schen Teebeutel: Der Kampf der Gartenzwerge tobt deutschlandweit im DJ-Mittelstand!

Natürlich gibt es auch Ausnahmen von der Regel. Foren wie „Futorial“ leisten hier gute Entwicklungsarbeit mit Live-Track-Ratings unseres Dance-Charts-TV-Moderators Sinan Kurtulus und konstruktivem Feedback für angehende junge Produzenten. Auch auf Facebook-Gruppen wie den berühmt-berüchtigten „House Fans“ lässt sich sehr gut aufbauen, aber insgesamt ist es dann doch unter dem Strich zu wenig. Hierzulande fehlt schlechterdings ein weitreichender gegenseitiger Support im DJ-Mittelstand, während die wenigen Weltstars in unerreichbare Höhen entschwebt sind. Nachwuchs entwickelt sich in diesem Bereich ebenfalls nur spärlich, obwohl das Potential rein technisch mehr als vorhanden wäre.

Man mag der „German Angst“ oder besser dem „German Neid“ die Schuld in die Schuhe schieben, aber diesen Sachverhalt einem nationalen Phänomen in die Schuhe zu schieben, scheint zu einfach. Es ist an der Zeit, das Konkurrenzdenken zu durchbrechen wie einst die deutsch-deutsche Grenze und mit gegenseitigem Support der Marke Laidback Luke zu beginnen. Nur so können gesunde Strukturen wachsen und endlich mehr deutsche DJs in die Weltelite aufsteigen. Denn was der Fußball und die vielfach gelobte deutsche Nachwuchsförderung seit Beginn des Jahrtausends können, sollte uns Musikliebhabern doch erst recht möglich sein!

Neidkultur

 

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Über den Autor
Maximilian Wild

Ich bin Jurastudent und bereite mich derzeit auf mein Staatsexamen vor. Meine Interessenschwerpunkte liegen im Bereich des geistigen Eigentums, das sich mit meinem ausgeprägten Interesse für Musik trifft. Für Dance-Charts.de verfasse ich hauptsächlich Nachrichten, Kommentare und Kolumnen, die sich mit aktuellen Entwicklungen der Szene befassen. Ich favorisiere kein Genre besonders, sodass sich in meinen Playlisten bunte Mischungen aus Tech House, Hardstyle und EDM finden. Mein absoluter Lieblingsact ist allerdings das deutsche House-Duo Claptone.

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