Martin Garrix - Das waren seine Tracks 2018
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Geschrieben von: Jonas Vieten, am 31. Dezember 2018
(Geschätzte Lesezeit: 4 - 7 Minuten)
Martin Garrix 2018: Jahresrückblick auf seine Veröffentlichungen.
Ikone, Vorbild, Crush. Eines der drei Attribute wird jeder Martin Garrix wohl zuschreiben. Längst ist er zum Gesicht der elektronischen Musik geworden und kann regelmäßig sowohl im kommerziellen als auch festivaltauglichen Bereich Wellen schlagen. Erst kürzlich wurde er als erster Act überhaupt zum dritten Mal in Folge zum populärsten DJ der Welt gewählt (DJ Mag Top 100). Wir nutzen die Gelegenheit des nahenden Jahresendes, um seine Veröffentlichungen der letzten zwölf Monate Revue passieren zu lassen.
Like I Do
Das Jahr begann mit einem Knall für Garrix. Gemeinsam mit seinen guten Freunden David Guetta und Brooks releaste er “Like I Do“, eine Future-Bounce-Nummer ganz im Sinne des zuletzt genannten Interpreten. Dessen Handschrift ist auch sehr deutlich herauszuhören. Giorgio Tuinfort ist ebenfalls in den Credits genannt und normalerweise der Songwriter (und Mitproduzent) für David Guetta.
Diese Fülle an Talent führt zu einem äußerst musikalischen Break sowie einem energiegeladenen Drop. Brooks wird sich dieser Nummer mit Sicherheit am meisten erfreut haben, da sie für ihn den definitiven Durchbruch bedeutete. Jene Faktoren vereint führten zu überraschend (hohen) Chart-Platzierungen rund um die Welt: In Deutschland schlug die rein elektronische Single auf Platz 23 ein, in Belgien war sogar Platz 2 drin. Insgesamt konnte “Like I Do“ ganze 28 Chart-Platzierungen verzeichnen.
Game Over
Es folgte ein Festival-Tool. Diese ID wird bis heute von Garrix in einem Mashup mit seinem Megahit “Animals“ gespielt. Der einzigartige Sound ließ auf LOOPERS schließen, welcher tatsächlich Mitwirkender bei diesem Titel war. “Game Over“ konnte jedoch anscheinend nicht jeden überzeugen. Die Bilanz nach acht Monaten: „Nur“ 16,3 Mio. Plays auf Spotify. Live kann die Scheibe ihr volles Potential sichtbar entfalten.
Ocean
Von uns stark kritisiert zündete “Ocean“ erst sehr spät. Khalid lieh dem Niederländer seine einzigartige Stimme, um eine gefühlvolle Popballade zu produzieren. Erneut saß Giorgio Tuinfort mit im Studio. Dennoch enttäuschte der Track und sah sich auch Platz 38 der Deutschen Single-Charts weit abgeschlagen. Matthew Meadow stimmte uns in seinem Beitrag auf YourEDM zu, als er auf das Fehlen jegliches „Garrix-Sounds“ verwies.
Zu erklären sind die stolzen 250 Mio. Spotify-Plays damit, dass die eigentlichen Fans des DJs den Song aufgrund der oben dargestellten Mängel größtenteils keinerlei Beachtung schenkten; sozusagen ihren Missmut zum Ausdruck brachten. Der gemeine Radio-Hörer entdeckte das Lied erst viel später, als es die Sendestationen in ihre sich täglich wiederholende Tracklist aufgenommen hatten. Dadurch konnte ein Flop (unter Berücksichtigung des Kalibers beider Interpreten) vermieden werden.
High On Life
Die Geschichte des Progressive-House gilt eigentlich als erzählt. Die Ära der Meisterwerke a la Swedish House Mafia oder Alesso sind längst vorüber. Martin Garrix hingegen entdeckte den Sound im Zuge seiner 180-Grad-Wende 2015 für sich. “High On Life“ nimmt den Zuhörer auf eine emotionale Reise über Höhen und Tiefen im Leben - mit besonderem Fokus auf der Liebe - mit, welche von einer catchy Melodie auf der einen Seite und einem hervorragenden Bonn auf der anderen Seite geleitet wird. Letzterer hatte zuvor einen Überraschungshit mit Axwell & Ingrossos “More Than You Know“. Der Song wurde direkt im Anschluss an Garrix‘ Tomorrowland-Set veröffentlicht.
Erstmals remixte der 22-Jährige ein eigenes Release, als er “Ocean“ einen festivaltauglichen Neuanstrich verpasste. Der Remix erscheint in seinem ganz eigenen Sound, welcher den Rezipienten insbesondere im Drop förmlich hinein- und hinauszieht. Dieser Headbanging ähnliche Effekt kann wohl auf Cesqeaux zurückgeführt werden.
Burn Out
Als nächstes erschien “Burn Out“. Die ehemalige ID kursierte lange als Collab zwischen den Buddys Martin Garrix und Justin Mylo durchs Netz. Kurz vor Veröffentlichung steuerte Dewain Whitmore seinen Gesang hinzu. Jener wertet die durchschnittliche Single nur bedingt auf.
Insgesamt ist “Burn Out“ weder erfrischend noch wirklich partytauglich. Die beiden Drops als Höhepunkte generieren keinen Druck im Bass-Bereich und mögen dem ein oder anderen vermutlich zu „Friede-Freude-Eierkuchen“ vorkommen.
Breach (Walk Alone)
Mit “Breach (Walk Alone)“ kündigte der Jungspund seine fünfteilige “BYLAW“-EP an, welche in den kommenden Tagen vervollständigt werden sollte. Passend zum Amsterdam Dance Event konnte er so viel Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Seine letzte EP “Seven“ enthielt sieben Scheiben und erschien 2016.
“Breach (Walk Alone)“ ist ein ganz neuer Sound im Repertoire des Produzenten. Von elektronischer Produktion in Reinform ist hier die Rede. Dies kann auf Blinders zurückgeführt werden, der für diese Nummer sein Debut “Sirene“ von 2014 trocken kopierte. Wir können einen Hör-Vergleich wärmstens empfehlen.
verglichen mit dem Vorbild:
Yottabyte
“Yottabyte“ kann als editiertes Remake seiner nie veröffentlichen Big-Room-Collab “Music Box“ mit Hardwell angesehen werden. Die Spieluhr zu Beginn klingt identisch, führt in einem Set jedoch eher bei den wenigsten zu einem Atemstillstand. “Yottabyte“ ist keine schlechte Musik, damit ist allerdings auch schon alles gesagt.
Latency
“Latency“ gehört zu diesen Releases, bei denen man sich fragt, wer sie überhaupt jemals besitzen wollte. Der „industrielle“ Klang Dyros schwingt durch und verleiht dem Lied diesen Charakter, der eben genau dafür sorgt, dass heutzutage die wenigsten Dyros Musik mögen. Natürlich hat auch dieser seine Fanbase, verpasste aber gemeinsam mit seinem guten Freund Dannic den Zeitpunkt, um 2014 den Sack zuzumachen und sich unter den ganz Großen zu etablieren. Zügig wurde der Titel auf die hinteren Plätze in Martin Garrix‘ Live-Sets verbannt.
Access
Auch hier hatte man ursprünglich eine Zusammenarbeit mit Justin Mylo vermutet. Letztendlich erschien sie als Solo-Arbeit und kommt wie “Burn Out“ und “Yottabyte“ nicht über ein „Durchschnittlich“ hinweg. Hier ist sogar eine Tendenz nach unten zu ergänzen, da der Lead-Synth wie ein FL-Studio-Sample klingt.
Waiting For Tomorrow
Auf diese Scheibe werden wahrscheinlich die meisten Fans gehofft haben. Viele hatten eine Veröffentlichung bereits abgeschrieben, doch als der EP-Name “BYLAW“ angekündigt wurde, konnte man spekulieren, dass am letzten Tag “Waiting For Tomorrow“ erscheinen könnte. In Verbindung mit “Breach (Walk Alone)“ wurden die Höhepunkte der EP als Rahmen gesetzt. 11 Mio. Plays auf Spotify stellen nebenbei den Rekord innerhalb des Fünfteilers dar. Die Frage, ob die erreichten Zahlen den Erwartungen entsprechen, bleibt offen.
Dreamer
Achtung, jetzt wird es lustig: Der eben genannte Track hat beinahe so viele Plays wie Garrix‘ aktuelle Radio-Single “Dreamer“, 12,5 Mio. Dieses Release ist der traurige Höhepunkt auf dem Weg in eine so kommerzielle Richtung, dass es selbst den Konsumenten des „Elektro-Weichspülers“, von dem Acts wie Zedd inzwischen in Mengen Gebrauch machen, zu rosig wurde. Gemeint ist damit die Tendenz, seine Produktionen bis ins Unermessliche rund zu schleifen, sodass sie auch dem generischsten Radio-Jünger gefallen.
Dieser indirekte Boykott ist ein gehöriger Schlag ins Gesicht für den für Martijn Garritsens kommerzielle Musik zuständigen Teil beim Mutterlabel Sony Music. Was als bewegende Story eines U-Bahn-Sängers vermarktet wurde, ist das Produkt eines DJs - ja, bei diesem Lied hätte man beinahe Garrix‘ eigentliche Tätigkeit vergessen - der nicht mehr EDM im Mainstream etablieren möchte, sondern sich des letzteren schlicht bedient. Wir hoffen, dass das Feedback der Fans Warnung genug für die Zukunft war.
Glitch
Julian Jordan und Martin Garrix haben bisher stets speziell klingende Collabs veröffentlicht (“BFAM“, “Welcome“). “Glitch“ bildet keine Ausnahme. Ein sehr klassisch elektronischer Sound wurde gewählt, um einen Song zu produzieren, der etwas zu spät kommt. Er catcht nicht, wird jedoch mit Sicherheit seine Liebhaber haben, da es an dieser Stelle ansatzweise back to the roots geht. Die Fans bestätigen die Kritik in Form von zwei Mio. Spotify-Plays.
Fazit: 2018 war ein schwierig zu beurteilendes Jahr für Martin Garrix. Er eröffnete es mit einem Knall und begab sich dann auf eine kontinuierliche Talfahrt, welche lediglich bei “High On Life“ verschnaufen konnte. Zu Gute zu halten ist ihm, dass er sich an neuen Sounds versuchte und definitiv inmitten eines Umbruchs steckt. Ausflüge wie “Latency“, aber insbesondere “Dreamer“ sollte er in Zukunft eher unterlassen. Nicht jedes Projekt muss im Laufe seiner Karriere jedes Genre abgedeckt haben.
