2020 nährt sich - endlich! - seinem langersehnten Ende und das bedeutet, dass es mal wieder Zeit wird für unsere alljährlichen Rückblicke auf die Diskografien der bedeutendsten EDM-Künstler. Während so gut wie alle Shows ins Wasser fallen mussten, haben viele Produzenten die neu gewonnene Zeit im Studio verbracht und an einer ganzen Menge Musik gearbeitet. Für KSHMR hat das in diesem Jahr nicht nur ein paar spannende Releases zur Folge, sondern sogar die Geburtsstunde eines neuen Side-Projects des EDM-Idols - aber dazu später mehr. In den vergangenen Jahren hat Niles Hollowell-Dhar aka KSHMR ein wahres Imperium um seine Musik herum aufgebaut. Nachdem er dadurch bekannt wurde, seine indischen Wurzeln in festivalreife Bigroom- und Progressive-House-Banger einfließen zu lassen, wurde er mehr und mehr für seine herausragenden Fähigkeiten im Studio gefeiert. Großen Erfolg hat KSHMR aber nicht nur mit seinen Songs, sondern auch mit seinem Label Dharma Music und der dazugehörigen Website, auf der mittlerweile Online-Kurse, Sample-Packs und vieles mehr angeboten werden. Während der Amerikaner sicher schon wieder an den nächsten Ideen feilt, möchten wir nun allerdings erst einmal auf seine Singles aus dem Jahr 2020 zurückblicken.
Nach einem Club-Mix für seine mittlerweile sehr erfolgreiche Single „Alone“ und einem chinesischen Remake zu „Do Bad Well“ hat KSHMR mit „Over and Out“ seine erste originale Single des Jahres im Februar präsentiert. Die Nummer stellt eine Kollaboration mit der talentierten Sängerin Charlott Boss und dem vielseitigen DJ und Produzenten Hard Lights dar. „Over and Out“ siedelt sich thematisch im Weltraum an und nimmt den Zuhörer mit auf einen abgedrehten Raketenflug. Nach einer fast schon hypnotisierenden Strophe mit den einprägsamen Lead-Vocals entfesselt der Track zunächst energische Supersaw-Melodien. Schließlich explodiert der Song in einem brutalen 150-BPM-Drop, der das beste aus Bigroom, Hard-Dance und Melbourne Bounce miteinander kombiniert. Damit schaffte es das Festival-Tool auch gleich mal an die Spitze der Beatport Hardstyle-Charts und zählt mittlerweile über 6 Millionen Spotify-Streams.
Weiter ging es 2 Monate später mit hitverdächtigen Latin-Vibes unter dem Titel „Bruk It Down“. Die Collab mit Sak Noel und Rapper TxTHEWAY fühlt sich wie ein Nachfolger zu KSHMRs gefeiertem „My Best Life“ an, nicht zuletzt, weil sie ebenso gute Laune und sommerliche Stimmung verbreitet. Die mitreißende Performance des Rappers wird von eleganten Ukulelen- und Trompeten-Klängen begleitet, während groovige Moombahton-Rhythmen die Nummer vorantreiben. Nach einem Chorus mit großem Wiedererkennungswert gipfelt „Bruk It Down“ in einem kräftigen Drop mit brasilianisch anmutenden Trompeten und knackigen Drums. Trotz coolen Vibes und originellen Ideen kommt der geistige Nachfolger von „My Best Life“ mit weniger als 5 Million Streams auf Spotify lange nicht an den großen Erfolg seines Vorgängers heran, der zusammen mit seinem Club-Mix über 40 Millionen Spotify-Streams zählt.
Im Mai meldet sich KSHMR mit einem echten Fan-Liebling zurück - seiner langersehnten Collab mit Future-Bounce-Star Brooks. Mit dabei ist die Sängerin Tzar, deren stark gepitchte Vocals durch den gesamten Track führen. Fun Fact: Schon 4 Jahre zuvor hat KSHMR eine Single namens „Voices“ in Zusammenarbeit mit Will Sparks veröffentlicht - ob ihm das wohl entgangen ist? Nichtsdestotrotz ist die neue „Voices“ ein cooler Song geworden, der mit melancholischen Breaks und energiegeladenen Höhepunkten überzeugt. Die Drops präsentieren ein gewohnt komplexes Future-Bounce-Feuerwerk und mitreißende Melodien. Mit über 6 Millionen Spotify-Streams erfreut sich der Song ähnlicher Beliebtheit wie „Over and Out“. Soundtechnisch lässt sich allerdings darüber streiten, wie viel KSHMR man in der reinen Future-Bounce-Single tatsächlich heraushört.
Natürlich darf auch in diesem Jahr eine Zusammenarbeit mit dem verrückten Australier und langjährigen Freund Timmy Trumpet nicht fehlen. Zur Feier der Gründung von Timmys Label SINPHONY ist die Nummer über ebendieses erschienen. Mit von der Partie ist außerdem das Instrumentalgenie Zafrir. „The Prayer“ erweist sich als bisher härteste Collab der Beiden und wird schon im Intro von brachialen Hardstyle-Kicks, gepaart mit einer rollenden Psytrance-Bassline, eingeleitet. Die Breakdown hingegen ist typisch KSHMR - episch, orchestral und sie wird von der charakteristischen Melodie des Songs getragen. Natürlich geht man in Runde 2 in die Vollen, sodass der finale Drop den ersten noch einmal um Längen übertrifft. Mit über 5 Millionen Streams schlägt sich das kompromisslose Festival-Brett auf Spotify sehr gut.
Dreamz? Wer ist denn das jetzt? Geschickt wurde die erste Nummer des neuen Projekts als Kollaboration zwischen KSHMR & Dreamz markiert - doch in Wahrheit versteckt sich hinter beiden Künstlernamen Niles Hollowell-Dhar persönlich. Wahrscheinlich wurde dies eingefädelt, um ein wenig Aufmerksamkeit auf KSHMRs brandneues Projekt zu lenken, diese hat es nämlich durchaus verdient. Wie das erste Release unter Dreamz verdeutlicht, handelt es sich hier um eine sehr ruhige und poppige Seite von Niles, die man so bisher noch nicht gehört hat. Bei dem Dance-Song „Casual“ dreht sich alles um die herausragenden Vocals von Nevve, um groovige Beats und einzigartige Gitarrenriffs. Mit weniger als 800.000 Streams handelt es sich um KSHMRs streaming-schwächste Single des Jahres. Wer sich dennoch für diese experimentelle Seite von ihm interessiert, sollte sich die zwei weiteren Releases von Dreamz nicht entgehen lassen.
Auch vor KSHMR machte der unaufhaltsame Hype um Slap-House-Coversongs in diesem Jahr keinen Halt. Gemeinsam mit Stefy De Cicco und Sängerin MKLA hat er sich den MGMT-Hit „Kids“ vorgenommen und in eine tanzbare, zeitgemäße House-Variante verwandelt. Die Nummer folgt einem bekannten Schema, wurde gewohnt stark produziert und hinterlässt dennoch einen faden Beigeschmack. Den typischen KSHMR-Sound sucht man hier über 3:05 min vergeblich, stattdessen wurde „Kids“ möglichst radiotauglich und streamingfreundlich gestaltet. Für Stefy De Cicco eines von vielen Covers dieser Art, das mit fast 7 Millionen Streams erwartungsgemäß gut auf Spotify performt.
Der August war ohne Frage KSHMRs ergiebigster Monat. Release Nummer 3 in diesem Monat nennt sich „Let Me Go“, ist eine Zusammenarbeit mit dem Brazilian-Bass-Star Alok und beinhaltet erneut die verträumten Vocals von Sängerin MKLA. Die Nummer erweist sich um Längen kreativer als ihr unmittelbarer Vorgänger. Die emotionsgeladenen Breaks mit sanften Piano-Akkorden und sphärischen Pad-Sounds leiten schließlich in einen experimentellen Electro-Pop-Drop über. Rollende Bässe, verzerrte Vocals und eine fremdartige Lead-Melodie sorgen für einen insgesamt düsteren, einzigartigen Vibe. Mit 5,5 Millionen Streams ist „Let Me Go“ erneut eine solide Single auf Spotify.
Für seinen nächsten Song hat sich KSHMR mit dem Erfolgsduo bestehend aus LUM!X und Gabry Ponte („Monster“, „The Passenger“) zusammengetan, deren Songs zu dieser Zeit auch auf deutschen Radiosendern hoch und runter liefen. Für die makellosen Vocals zeigt sich die gefragte Singer/Songwriterin Karra verantwortlich. „Scare Me“ schließt sich nahtlos an den Stil der vorangegangenen Songs des erwähnten Duos an, auch wenn der Fokus im Instrumental hier nicht auf Gitarren, sondern auf orchestralen Instrumenten liegt. Die Drops setzen sich aus einem kraftvollen Melbourne-Bounce-Beat, eingängigen Lead-Vocals und später einem klassischen Vocal-Lead zusammen. Erneut lässt sich hier erstaunlich wenig KSHMR heraushören - leider hat er es versäumt, der Nummer mit seinem sonst so prägnanten indischen Sound etwas Persönlichkeit einzuhauen. Für über 7 Millionen Spotify-Streams hat es dennoch gereicht.
Das ist es, worauf langjährige KSHMR-Fans das ganze Jahr über gewartet haben. Mit „One More Round“ liefert KSHMR nicht nur den Soundtrack für das Mobile-Game Garena Free Fire, sondern lässt auch endlich mal wieder seinen alten Signature-Sound durchklingen. Im Zentrum der Nummer steht die herausragende tiefe Stimme von Jeremy Oceans, die von einem komplexen Instrumental begleitet wird. Die Nummer ist klar von Western inspiriert, entfaltet aber spätestens im Buildup und dem darauffolgenden Bigroom-Drop die pure KSHMR-Nostalgie. Die energiegeladenen Lead-Synths und mitreißenden Melodien haben „One More Round“ in der kurzen Zeit seit ihrem Release schon über 2,6 Millionen Spotify-Streams eingebracht.
Fazit: 2020 war für KSHMR ein irgendwie durchschnittliches Jahr mit seinen Höhen und Tiefen. Zwar konnte er in diesem Jahr keinen herausragenden Hit landen, dennoch hat er seine Fans mit ein paar soliden, abwechslungsreichen Singles versorgt. Es scheint, als würde sich Niles Hollowell-Dhar zurzeit in einer Art Findungsphase befinden und nicht so recht wissen, in welche Richtung sein Sound in Zukunft gehen soll, wie auch die Gründung seines neuen Projekts beweist. Wir vermissen auf jeden Fall die charakteristischen indischen Instrumente, die sich in keiner 2020-Single finden lassen, und hoffen, dass er in Zukunft auf charakterlose Kollaborationen verzichtet. Nichtsdestotrotz können wir kaum noch den 15.01.2021 erwarten - auf dieses Datum verweisen KSHMRs Website und auch sein Instagram-Account, auf dem alle anderen Posts gelöscht wurden. Kommt da ein neues Album auf uns zu? Es bleibt spannend.
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